Donnerstag, 19. Januar 2012

All das ist, was man so für Leben hält

Im Licht sitzend Bücher zerreißen
Zurückgezogen im wortlosen Steinbruch
Kinderjahre in Landkarten eintragen
Die Müdigkeit im Reglosen wachsen lassen
Trotzdem eine Idee von Klarheit haben
Die Treppenstiege zum ersten Stock benutzen
Mit beschädigtem Willen denken
Kaffee im alten Porzellanfilter aufbrühen
Ein Haus in einem Park bewohnen
das Fenster zum See raus hat
und sich wünschen
dass man ganz ohne Gepäck angereist wär'

All das ist, was man so für Leben hält

Dienstag, 17. Januar 2012

Kracher

Mit diesem Plakat wirbt die Linke Liste an der Goethe-Uni für ihre Kandidatin Veronika Kracher. Schön, dass das möglich ist. An anderen Unis wäre die Dame schon verhört und ins Lager verbracht worden.
Sicher ein prekäres Spiel mit der Symbolik der linksautonomen Szene, aber eben nur ein Spiel. Und Radikalität impliziert definitorisch keinesfalls Gewalt, sondern nur die grundsätzliche Veränderung der Zustände, eine Absage an den allerorten gepflegte lauen Reformismus. Pejorativ wird der Begriff allgemein gebraucht, um sprachlich zu stabilisieren, was politisch befürchtet wird.
Natürlich könnte man so ein Plakat ebensogut auch "albern" nennen, aber, hey, warum nicht mal so?!

Samstag, 14. Januar 2012

Pour vous, mes fauves

Die Blumen waren Anemonen, die Tiere waren Tiger, oder irrte ich mich? Es gab viel von allem, die Geschichten enden nie, die Worte verfallen, wie Mäuse ohne Knie, ins Tanzen und Taumeln, und romantisch wird es nie, auch wenn die Nächte  kürzer werden und alle sich beherrschen, die Gewalt zu kontrollieren, die gespürt wird in der Anordnung der Dinge, in der Pflege der Waffen, die frisch munitioniert in Schubladen und unter Tischen liegen, bereit für die ästhetische Revolution, die ins Soziale drängt. Die ins Fatale drängt, in Richtung verbotener Verwendungsweisen der Sprache.
Die Gedanken kratzen an den Verteilersteckdosen der Macht. Und was geht vom Volke aus? Ästhetisches Verlangen? – Das Verlangen nach Schönheit schmerzt in den Gliedern, die banale Evolution hat direkt zu dem geführt, was uns die Augen schließen lässt in den austarierten Blickwinkeln schwindender Einsicht. – Die Menschwerdung ist ganz schön schief gelaufen, viel mehr als die Feinstaubplakette ist nicht dabei herausgekommen, wobei mir als weitere Errungenschaften noch Jubiläumsgefangenenlager, Schokoriegel, Panade und Normalnull einfallen.
Setzt das Vermummungsverbot außer Kraft, schreibt in schönen Worten vom Versagen der Zivilisation und nehmt verdammt nochmal endlich diese Brille aus Fensterglas von der Nase. Die letzten Verteidigungslinien der Selbsttäuschung fallen im frühen Morgennebel, an der Grenze von Bewusstsein und Schaf.

Man würde sich wünschen, dass die Experimente im Genfer CERN ein für alle Mal außer Kontrolle gerieten. Andererseits: Soviel Gnade haben wir alle nicht verdient.

Immerhin: Unser endgültiges und spurloses Verschwinden wäre das größte Geschenk für die Tiere.

Samstag, 7. Januar 2012

Orden der armen Klarissen

Du gehst in den Garten, pflückst die Winterfrüchte, während ich schlafend auf dem dunklen Sofa vor dem großen Fenster liege und träume: von grausteinernen Hängen, in die Menschen an stählerne Haken gefesselte Ziegen gehängt haben. Wie irr gehen deren Augen voller Angst. Unter den mageren Hälsen sind kleine blecherne Eimer befestigt, um den golden sich ergießenden Strahl aufzufangen, der aus einer Wunde am Hals fließt.
Es ist eine Übung im Schächten, Schechita, doch der Tod tritt nicht ein, das Gold fließt ohne Unterlass und bodenlos sind die Gefäße, die tausendfach sich füllen ohne jemals überzulaufen.
Ich erwache und du kehrst zurück aus dem Garten mit einem Korb schwarzhölzerner Würfel unter dem Arm und sagst: keine Angst, es wird ganz schnell gehen, ich werde fünf Fehler vermeiden. Deine Augen blicken barmherzig, deine rechte Hand hälst du hinter dem Rücken verborgen.
Ich erwache zum zweiten Mal. Es ist dunkel im Raum, die Klosterglocken läuten: es ist acht Uhr.