Dienstag, 19. März 2013

Betula incognito


Wildes Treiben auf dem Bahnsteig. Durchsagen und Blicke fliegen durch die kühle Luft. Der Russe mit der Waschbärmütze ist eben aus dem Zug gestiegen und bleibt vor mir stehen:
-Sind Sie nicht diese Birke? fragt er
-Birke? Ich?
-Ja, diese Birke, die früher vorm Fenster meines Kinderzimmers stand? Mein Lieblingsbaum und Schattenspender!
-Sehe ich denn aus wie ein Baum?
-Ähm, jetzt, wo Sie’s sagen, naja, hm, aber irgendwie...schon…
Sein Atem riecht leicht nach Schnaps und offensichtlich sind ihm seine Worte mittlerweile ein wenig unangenehm. Er errötet und räuspert sich, sagt „entschuldigen Sie“, dreht sich rasch auf dem Absatz um und geht davon.
Als ich am Tag darauf, auf der Wiese stehend, die Arme weit in den Himmel gereckt, sonnenfleckige Schattenmuster an die Hauswand male, frage ich mich ganz kurz: wie hat er mich nur erkennen können? Ich hatte doch einen Mantel an… und Schuhe, dazu ein T-Shirt und sogar eine alberne Basecap.
Ich runzele die Rinde. Es bleibt mir ein Rätsel.