Freitag, 7. Oktober 2011

Der Abstieg

Verachtung für die Götter, Hass auf den Tod und die Liebe zum Leben: diese drei Dinge zeichnen Sisyphos – so Camus – aus.
Sisyphos stört die olympische Ordnung. Er verrät die geheimen Machenschaften Zeus’, legt Thanatos in Ketten, sodass auf Erden niemand mehr stirbt, und kehrt listig aus dem Reich des Todes zu seiner Frau zurück.
Doch Zeus’ Rache ist unausweichlich und so kommt der Mensch zu seinem Felsen, den er wieder und wieder den Berg hinauf zwingt.
„Sein Schicksal gehört ihm.“ Indem er den Stein als sein Schicksal annimmt, indem er am Hang mit der Inbrunst des Menschen wütet, vertreibt er die Götter aus dieser Welt.
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.“ – und Sisyphos führt seinen Fels, immer wieder aufs Neue. Er weiß, so Camus, „dass die Nacht kein Ende hat.“
Doch jede Form der Materie hat ein Ende und Sisyphos hat Zeit: er zerreibt den Stein am Hang. Das ist seine Lösung. Und er besiegt die Götter ein letztes Mal. 
Ich glaube, wir müssen uns Sisyphos nicht nur als einen glücklichen, sondern auch als einen geduldigen und entschlossenen Menschen vorstellen. 

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wenn wir die Materie als dinghaft und gegenständlich begreifen, hat Sisyphos seinen Stein am Felsen zermahlen, schenken wir jedoch Hans-Peter Dürrs Ausführungen Glauben: "Es gibt keine Dinge, es gibt nur Form und Gestaltveränderung: Die Materie ist nicht aus Materie zusammengesetzt, sondern aus reinen Gestaltwesen und Potentialitäten. Das ist wie beim Geist." (Lit.: Dürr 1998), so hat Sisyphos zwar sich seines Steines entledigt, seiner Ihm auferlegten Aufgabe kann er sich jedoch nicht entziehen, denn die Gestaltveränderung des Steines hat Spuren hinterlassen und nichts kann mehr so sein, wie es vor der Existenz des Steines gewesen ist. Unsere Aufgaben zur Bewältigung unseres Schicksals bestehen in uns fort, denn sie beinflussen die Gegenwart, verändern unseren Blick in die Vergangenheit und beinflussen unsere Zukunft nachhaltig.