Donnerstag, 27. September 2012

Lass brennen

An Tagen wie diesem gefiel er sich darin, mit seinem Wagen durch die Straßen zu fahren, in erheblicher Lautstärke Zemlinskys "Der Traumgörge" zu hören und mit einer großkalibrigen schalldämpferbewehrte Waffe (eine allzu aufdringliche Unterbrechung des Musikgenusses wäre ihm unangemessen erschienen) auf Ampeln und Straßenbeleuchtung zu schießen.
"Ist es denn nicht so", dachte er bei sich, "dass nur eine größtmögliche Entfernung von der Realität uns ein inneres Aufatmen beschert? Und wenn ja: Wie ist das zu bewerkstelligen? Durch Auslöschung der Realität oder Auslöschung des Selbst?"
Das ganze Prinzip 'Realität' erschien ihm aufdringlich und widerlich. Dass da überhaupt Objekte waren, die einem als Gegenstand entgegen standen. Dieses klebrige An-sich-Sein der Dinge, die Sachverhalte, die bestimmten, wie irgendwas möglich ist. Je mehr er sich auf die Sache einließ, desto finsterer wurde seine Miene: Diese ekelerregende Washeit des ihn umgebenden Weltzusammenhangs, diese physische Präsenz von allem. Erkenntnistheoretisch war das ganze ein eher ungewöhnliches Problem: Gerade die Zugänglichkeit der Welterfahrung war ja das, was ihm - er gestattete sich einen Euphemismus - 'so wenig Freude bereitete'.
"Welche Wege gibt es denn", so fragte er sich, "die aktuelle sinnliche Erfahrung zu unterbinden und gleichzeitig den Erfahrungshorizont in solcher Weise zu überschreiben, dass einen auch das Erinnerte nicht länger belästigt?"
Er spuckte angewidert aus dem Wagenfenster und lud die Waffe nach.