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Sonntag, 31. März 2013

Kleines Literaturrätsel (VI) - Wer bin ich?

So mancher im Büro redet hinter meinem Rücken, getrieben vom Neid auf meine bessere Anstellung – denn wer wäre nicht gern verbeamtet? Man trägt die feinere Kleidung, drückt sich gewählter aus und lupft den Hut im Vorübergehen.
Auf der Straße schau ich auch mal den Damen hinterher, wie eben erst einem besonders entzückenden Kind, das eine - man mag es kaum glauben -  sprechende Hündin besitzt, die über einen erheblichen Wortschatz gebietet. 
Das habe ich später umso mehr gedacht, als ich einen Briefwechsel eben jener Hündin an mich brachte, worin ich fand, dass dieses Tier nicht nur etwas von Politik verstand, sondern auch so manches französische Wort benutzte – obwohl man doch an der Schrift erkannte, dass hier nicht die Hand, sondern eine Pfote die Feder geführt haben musste.
Einige Tage später, aber wieviele Tage sind es eigentlich und in welchem Jahr befinde ich mich?, fällt es mir immer schwerer, meiner gewöhnlichen Arbeit nachzugehen, da ich mich nicht mehr zu den Bürgerlichen zähle. Wie kann das den Menschen nur verborgen bleiben? Sie bleiben kaum stehen, wenn ich vorbeigehe. Sehen sie mich denn nicht? Begreifen sie denn nicht, wer ich bin?
Außerdem plagen mich alle Tage zwei Fragen: Warum diese Duschen mit Eiswasser? Und: Wie reise ich möglichst schnell ein paar tausend Kilometer Richtung Südwesten?

Montag, 11. März 2013

Kleines Literaturrätsel (V) - Wer bin ich?


Es ist schon eine Art kurzer Amoklauf mitten in der Flora eines hübschen Waldgebietes, was ich, schwitzend in meinem schwarzen Anzug, hier veranstalte. Eine Krankheit der Moderne, eine Überspanntheit der stadtgewohnten Nerven, ein Anflug von Neurasthenie, die schließlich zu verwirrender Selbstbeobachtung führt. Und? Was sehe ich? Mich selbst, wie ich ein Geschöpf köpfe, dessen Blut den Boden besudelt und dessen abgeschlagenes Haupt ein befremdliches Eigenleben entwickelt.
Es war ein kalter Mord, soviel weiß ich selbst, und grübele über die Möglichkeit, eine solch offensichtliche Leiche zu eskamotieren. Gleichwohl verweigere ich die Buße, verfalle dann aber auf die irrsinnige Idee, dem Kadaver neuerlich Leben einzuhauchen. Doch zu spät: bleibt nur die Flucht – und am Rande des Weges stehen finstere Gestalten, von denen manche weinen und andere nach mir greifen.
Zurück daheim finden meine Gedanken keine Ruhe, die Tote umtreibt mich, verdreht mein Gehirn für lange Zeit, entfacht in mir einen verqueren Totenkult, bis ich schließlich, viel später, zurückkehre an den Ort meiner Tat, um weiter und noch mehr zu morden. Und ich lache – na bitte, es geht doch!

Sonntag, 24. Juni 2012

Kleines Literaturrätsel (IV) - Wer bin ich?

Nicht allzu lange nachdem die Bomben gefallen waren, wurde ich Chef einer Bande, die wenig Gutes im Sinn hatte. Er war neu bei uns und wir verspotteten ihn wegen seines Namens, nannten ihn nur noch T., damit wir nicht in Lachen ausbrechen mussten. Und ich hätte T. aufhalten können. Er war mir gleich von Anfang an unheimlich. Etwas in ihm war anders.
Später, als wir alle zusammen das Gebäude in Schutt und Asche legten, gab es einen Moment, wo T. uns aufforderte, die Sache zu Ende zu bringen. Sein Blick war unerbittlich und ich verstehe bis heute nicht, wie er unsere Gruppe zu einer Art von Vernichtungsmaschinerie formte, zu einer rasselnden Mechanik die alles zu Staub zermahlte. Ich verstehe auch nicht, warum wir das Geld verbrannten, es nicht einfach behielten und davon liefen.
Ich war Anführer einer Bande, die jetzt nur noch auf T.s Worte hört. Auf seine kalten und ruhigen Worte.

Montag, 12. März 2012

Kleines Literaturrätsel (III) - Wer bin ich?

Die Welt ist voller Dinge, die sich zueinander verhalten – und ich war das Ding, was sich anders verhielt.
Ich wurde untersucht - versteht mich nicht falsch, ich war freiwillig gekommen, doch nur um zu erfahren, dass der Defekt vorlag, ich bin „negativ“, offensichtlich veranlagt. – Ich wurde Teil einer Liste.
Nachdem alles vorbei war, sagten sie, ich hätte den Kontakt zur Wirklichkeit verloren, ich sei in einer pathologischen Identifikation gefangen, doch sie waren es schließlich, die mir diesen Namen gaben!
Ich weiß nicht, ob das wirklich der Grund dafür war, dass ich, ganz Mann des Geistes, einige nicht unerhebliche Morde beging. Mit chirurgischer Präzision erledigte ich Sokrates, nahm Kant aus der Welt, vernichtete Descartes, das Schwein. Doch das alles ist mir nicht genug: Shakespeare wartet. Er soll der nächste sein.
Und wer sollte mich auch aufhalten? Ich habe schließlich selbst Zerberus überwunden!

Samstag, 3. März 2012

Kleines Literaturrätsel (II) - Wer bin ich?

Ein spitzer länglicher Metallstab macht seinen Weg durch die Luft, schneller und schneller – und verfehlt nur knapp den einen,  der zwei Vogelarten miteinander verwechselte, bevor er sich aus dem Schlafzimmer stahl. Drei Geschichten erzählt er mir später, und in der letzten der drei spricht endlich der Vogel und gibt sich zu erkennen. War es Mutterliebe oder ein Traum? - das frag ich mich, nachdem er mir von alledem berichtete und sich über den Zusammenhang ausschwieg.
Ich kenne ihn von früher, als wir beinahe noch Kinder waren.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Kleines Literaturrätsel (I) - Wer bin ich?

Das ist die Welt, die öde Sonne, die dunkle Gasse, hier von meinem Stuhl aus; kann mich nicht bewegen, doch was hält mich? Sind das Stricke? Oder Schatten von Stricken? Oder Schals? Verflucht, es sind Schals! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Schals! Und der Stuhl ist ein Schaukelstuhl aus feinstem Teakholz. Immerhin.
Es macht Spaß, hier nackt und gefesselt in meinem Stuhl zu sitzen, genauer: es macht meinem Körper Spaß. Und mein Geist? Hm, mein Geist ist eine große Hohlkugel, hermetisch abgeschlossen vom restlichen Universum. Allein, mit meinem Körper hat der Geist zuweilen Austausch, da gehen Wege hin und her. Aber ist das schon Bewusstsein? Na, zumindest reicht es für die Parodie vernünftigen Verhaltens, das nicht aus dem Rahmen potenzieller Seinsweisen eines Körpers in der Welt fällt. Und diese Welt? Die ist doch nur eine heterogene Stimulation. Für mich ist die Zeit gekommen, ja, es ist Zeit, in meinem Geist zu leben.

Weiß: E2-E4