Montag, 22. Juli 2013

Sachzwang

Mein Nachbar sieht aus wie Marcel Duchamp.
Ich warte, bis er fort geht und breche bei ihm ein. Ich fotografiere sein Geschirr, seine gemusterten Stofftaschentücher und seine Arztrechnung.
Es ist kühl in der Wohnung, in einem Zimmer liegt auf dem Tisch ein Buch mit einem Einschussloch und Marmeladenspuren am Einband (Heidelbeere, mit Sicherheit).
Im Keller finden sich alte Reifen und ein an die Wand genageltes, völlig vertrocknetes Rosinenbrot. Ich gehe umher und verhalte mich wie jemand, der mich auf einer Bühne spielt - bedacht und unnatürlich. Ich fotografiere mich mit Selbstauslöser - 12 Sekunden aufgeregtes Atmen im stillen Dunkel - neben dem Rosinenbrot und lächele in die Kamera. Auf dem Foto werde ich mich später nicht wiedererkennen.
Als ich das Haus verlasse, verschwindet die Straße, Rue de Grenelle, von allen Stadtplänen.
Was in der Nacht noch geschah:
Schwimmunterricht, ein verlorenes Schachspiel, mäßiges Durstgefühl und der Entwurf eines gigantischen Kerkers.