Montag, 11. März 2013

Kleines Literaturrätsel (V) - Wer bin ich?


Es ist schon eine Art kurzer Amoklauf mitten in der Flora eines hübschen Waldgebietes, was ich, schwitzend in meinem schwarzen Anzug, hier veranstalte. Eine Krankheit der Moderne, eine Überspanntheit der stadtgewohnten Nerven, ein Anflug von Neurasthenie, die schließlich zu verwirrender Selbstbeobachtung führt. Und? Was sehe ich? Mich selbst, wie ich ein Geschöpf köpfe, dessen Blut den Boden besudelt und dessen abgeschlagenes Haupt ein befremdliches Eigenleben entwickelt.
Es war ein kalter Mord, soviel weiß ich selbst, und grübele über die Möglichkeit, eine solch offensichtliche Leiche zu eskamotieren. Gleichwohl verweigere ich die Buße, verfalle dann aber auf die irrsinnige Idee, dem Kadaver neuerlich Leben einzuhauchen. Doch zu spät: bleibt nur die Flucht – und am Rande des Weges stehen finstere Gestalten, von denen manche weinen und andere nach mir greifen.
Zurück daheim finden meine Gedanken keine Ruhe, die Tote umtreibt mich, verdreht mein Gehirn für lange Zeit, entfacht in mir einen verqueren Totenkult, bis ich schließlich, viel später, zurückkehre an den Ort meiner Tat, um weiter und noch mehr zu morden. Und ich lache – na bitte, es geht doch!