Sonntag, 25. Dezember 2011

Museumsinsel


Was ich bei weihnachtlicher Übernachtung in meinem alten Kinderzimmer gefunden habe:


-Ein Fässchen Batman-Tinte
-Ein Foto von mir als kleiner Mensch
-3 Packungen Esbit inkl. Miniofen
-Einen Bierbembel mit dem Aufdruck „REVOLUTION“
-14 Pelikan-Mini-Tramp Bücher für die Lektüre unter dem Schultisch (darunter mein Lieblingsband „Sein erster Jaguar“)
-Ein frühes Selbstportrait
-Einen Fotoband über nationalsozialistische Vernichtungslager
-Konspirative Aufzeichnungen auf essbarem Papier
-6 französische Telefonkarten und ein Pfeifenbesteck in einem Etui
-Einen geöffneten Commodore 64 mit aufgelötetem Turbo-Modul
-Ein chinaseidenes Tagebuch meiner Schwester
-Eine künstliche Zigarette, die beim daran Ziehen weiß qualmt
-Ein Kinderbuch, das mit "Als Birne, wie wir wissen, ihre allumfassende Weltherrschaft ausgerufen hatte..." beginnt und mit dem Satz "Je größer das Gehirn, desto schneller arbeitslos." endet.

 
Was meine Hündin unterdessen dort gefunden hat:

-2 Tennisbälle
-1 Softball
-1 Jojo

Montag, 19. Dezember 2011

Mal was Besinnliches zur Festzeit...


Bertolt Brecht
Maria

Die Nacht ihrer ersten Geburt war
Kalt gewesen. In späteren Jahren aber
Vergaß sie gänzlich
Den Frost in den Kummerbalken und rauchenden Ofen
Und das Würgen der Nachgeburt gegen Morgen zu.
Aber vor allem vergaß sie die bittere Scham
Nicht allein zu sein
Die dem Armen eigen ist.
Hauptsächlich deshalb
Ward es in späteren Jahren zum Fest, bei dem
Alles dabei war.
Das rohe Geschwätz der Hirten verstummte.
Später wurden aus ihnen Könige in der Geschichte.
Der Wind, der sehr kalt war
Wurde zum Engelsgesang.
Ja, von dem Loch im Dach, das den Frost einließ, blieb nur
Der Stern, der hineinsah.
Alles dies
Kam vom Gesicht ihres Sohnes, der leicht war
Gesang liebte
Arme zu sich lud
Und die Gewohnheit hatte, unter Königen zu leben
Und einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit

Montag, 12. Dezember 2011

the number you have called is temporary not available

Wenn es so kalt ist, wie es gerade ist, und einem die Finger frieren, während man am Computer Präsentationen gestaltet zu Drama Lyrik Epik, der schwarze Nachtwind ums Haus defiliert, die Wörter aufhören zu vibrieren in einem drin, will man manchmal irgendwie ganz dringend nur da sein, wo man früher bisweilen im Winter war - im Warmen mit Büchern, die noch eine Handlung hatten, vollgestopft mit irgendwelchen Süßigkeiten und selbstgebackenem Lebkuchen, ohne betriebliche Weihnachtsfeiern, Reuegeld und Transaktionssteuern, ohne Winterreifen, Smartphones und Bodenminen - da wo die Hundepfoten die Nacht auslöschen, wo man nicht vor Kerzen an Gräbern steht, weil es für manche Sachen jetzt einfach zu spät ist.
Man will den Taugenichts als reale Lebensanweisung lesen, Vaters Mühle verlassen, im Gärtnerhäuschen einschlafen, das Mark des Lebens aufsaugen, Walden lesen, Walden leben, alles reduzieren, die äußeren Umstände der spätkapitalistischen Gesellschaften nur aus den verworfenen Fassungen Grimm'scher Märchen kennen, die inneren Zustände des schleichenden Unbehagens der Postmoderne überhaupt nicht kennen, noch niemals davon gehört haben, nicht mal in Legenden und auch nicht aus dem späten Gelaber der Talk-Shows, weil vor geraumer Zeit jemand aus gutem Grund eine Axt im Flatscreen versenkt hat. - - -
Und dann liegt man mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke, liest "Detektiv Kim bekämpft die Mopedbande" und ist für diese Welt ganz einfach nicht mehr zu sprechen!

Montag, 5. Dezember 2011

Hundert Prozent Arabica

Zuweilen, wenn ich morgens meinen Kaffee schlürfe, noch vor den ersten sanften Fehlentscheidungen des Tages, denke ich an Gregor Samsa, Kafkas duldsamen Käfer:
Als einer der perfiden Prokuristen zu Besuch kommt und seinen Kaffee verschüttet, ist dies für Gregor Grund genug, plötzlich hervorzuschießen und seine insektoiden Esswerkzeuge relativ gierig nach der heruntertropfenden Flüssigkeit auszustrecken. Er kann sich "nicht versagen, im Anblick des fließenden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen".
Und an dieser Stelle wird uns allen klar, dass man ihm in seiner Käferexistenz den Kaffee vorenthalten hat, eine kaum zu überbietende Grausamkeit. Auf seinen verzweifelten Versuch der Kaffeebeschaffung reagiert die Mutter mit Geschrei, der Prokurist mit Flucht, alle mit Entsetzen. - Gregor ist in der Familie endgültig unten durch.

Typische Entzugserscheinungen des habituellen Kaffeetrinkers sind nach verschiedenen Studien  z.B. Erschöpfung, Kopfschmerzen, mangelnde Wachsamkeit, Reizbarkeit, Schläfrigkeit, depressive Episoden, Konzentrationsstörungen, fehlende Gedankenklarheit und eine deutlich herabgesetzte Zufriedenheit.
Ganz ehrlich, wenn Gregor die Käferexistenz vielleicht noch hätte wegstecken können, ich bin mir sicher, der unterdrückte Kaffeekonsum brach ihm das Genick bzw. den mentalen Chitinpanzer.

Dazu kommt, fortgesetzte Beweisführung, dass Insekten noch deutlich empfindlicher auf Koffeinzufuhr bzw. -entzug reagieren, wie z.B. das Verhalten von Spinnen mit bzw. ohne Kaffeekonsum belegt (siehe Abbildung 1).
Wir müssen also vielleicht im Hinblick auf käferliche Entzugserscheinungen in unserer Einschätzung die beschriebenen Effekte potenzieren, was letztlich den unterdrückten Kaffeegenuss ins Zentrum der psychopathologisch fixierten Kafka-Lektüre rücken lässt.
Schließlich muss vor diesem Hintergrund besonders bitter erscheinen, dass man den Käfer, dem man den lebensnotwendigen Kaffee verweigert, mit schnödem Obst bewirft, ein böses ironisches Substitut für das eigentlich Verlangte!
(Abgesehen davon ist die Wahl eines Apfels als Wurfgeschoss nicht nur ein zweiter Sündenfall, sondern finstere Verballhornung des beliebten Merkspruchs "An apple a day keeps the doctor away." - dessen Wörtlichnahme wohl auch dazu führte, dass die verursachte Verletzung unbehandelt blieb.) Doch vom Obst zurück  zum Kaffee:

Interessanterweise scheint die Industrie später (für Gregor leider zu spät!) den folgenschweren Fehler der Samsas wieder gutmachen zu wollen. Wie anders ließe es sich erklären, dass es mittlerweile in Feinkostgeschäften speziellen Käfer-Kaffee (Abb. 2) gibt, der nicht nur aus feinster Arabica-Bohne hergestellt wird, sondern auch für den menschlichen Konsumenten besonders bekömmlich sein soll.

Johann Sebastian Bach, kirchenmusikalisch-systemtheoretisch-mathematisches Genie, Gott hab ihn selig, wandte sich zuweilen auch der weltlichen Musik zu, allerdings nicht ohne Weltliches zu sakralisieren. So ist seine sogenannte Kaffeekantate vielleicht nicht sein größter Geniestreich, aber dennoch ehrliches Credo eines ergebenen Koffeinisten. Da heißt es:

Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!

Johann Sebastian, Gregor - ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bund der Dritte! - Ach stimmt, Schiller (als dann Vierten) nicht zu vergessen. Dichtete dieser nicht saumselig: "Diesen Trunk der ganzen Welt?!"

Sonntag, 4. Dezember 2011

BWV 1007–1012

Ich kenne sie seit vier oder fünf Wochen, kenne sie, seit ich gefragt habe, ob ich ihr zuhören dürfe. Still saß ich dann bei ihr, ließ die Zeit verstreichen, während sie ihre Kadenzen strich, ihre Übungen machte, oder kleinere Passagen repetierte. Ausgeruht fanden ihre Finger den Weg über die Saiten, flog der Bogen seinen fremden Kurs, und ihre Augen waren kleine Vögel, in jenem neonbeleuchteten, kargen Raum mit den beigen Tapeten und dem grauen Linoleumfußboden. Zuweilen betrachtete ich ihr Spiegelbild im kalten Klavierlack, ihre energischen Bewegungen, so beneidenswert kontrolliert, ihre Gesten, so seltsam distanziert.
Und an ihr maß sich meine Stille, meine Reglosigkeit, mein Schweigen, an ihr maß sich, wenn sie spielte, die Welt. Ich sage dies nicht einen Moment unter dem Eindruck von Hingezogenheit, nein, ich will sie nicht näher kennenlernen, nicht besser, nicht anders sehen, als in diesem kargen Übungsraum mit ihrem Cello, diesen fliegenden Augen.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Robin Hack

Spannende Sache:
Die Hackerkonglomerate Anonymous und TeaMpOison vereinigen sich für eine geplante Aktion  im Sinne der Occupy-Bewegung zu pOisAnon. Operatives Ziel, so angekündigt, die Umverteilung des Reichtums auf elektronischem Wege. Nach eigenen Angaben hat pOisAnon mittlerweile durch "Einbrüche" bei drei (oder vier) Großbanken mehr als eine halbe Million Kreditkartendaten beschafft, die "Umüberweisung" steht offensichtlich kurz bevor:

"Operation Robin Hood will take credit cards and donate to the 99% as well as various charities around the globe. The banks will be forced to reimburse the people their money back. - We are going to take what belongs to us. The Banks have thrown people out on the streets with corrupted actions. When the poor steals, it’s considered violence, but when the banks steal from us, it’s called business."

Doch die Kritik von pOisAnon geht viel weiter als diese einzelne Aktion: es ist vom Einfluss der Bankenkartelle auf Staat und Politik die Rede, und damit vom Schwinden demokratischer Strukturen. - Ob dies insgesamt eine sinnvolle Aktion im Kampf gegen die "pigs" (so pOisAnon in beinahe schon klassischer Rhetorik) ist, sei dahingestellt.
Wie wär's zum Beispiel mit einem größeren Projekt: Schuldenerlass für die sogenannte Dritte Welt: D-E-L-E-T-E!

Mittwoch, 30. November 2011

Die entschlossene Kommunardin

Ich kannte mal ein Mädchen
Mit langem dunklem Haar
Fest unterm Arm drei Bücher
Und Augen aus Gefahr

Ein Engel war sie selten
Ihr Reden war oft kalt
Sie konnte sich nicht bremsen
Vor düsterer Gewalt

Das Eigentumsverhältnis
Bracht‘ sie in wilde Wut
Mehrwert der zirkulierte
Wird Zeit, dass man was tut

Sie sprach mir von der Herrschaft
Im Dienst des Kapitals
Erträumte stilles Plündern
Des Waffenarsenals

Ich küsste sie ganz zärtlich
Doch sie blieb völlig stur
Zu ändern ist, so sagt sie,
Die ökonomische Struktur

Dienstag, 29. November 2011

Celebrity Deathmatch: Jesus vs. Das Kapital

"Da flocht Jesus sich eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle samt ihren Schafen und Rindern aus dem Tempel hinaus, verschüttete den Wechslern das Geld und stieß ihre Tische um und rief den Taubenhändlern zu: ‚Schafft das weg von hier! Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Kaufhause!‘"  (Johannes 2, 13f)

Was nur, frage ich mich, können wir von Jesus lernen? 
Ernst Bloch nennt Jesus immerhin "das Zeichen, das der Herrenmacht widerspricht [...]. Dabei hatte Jesus eine Revolution der ganzen Welt im Auge [...]. Es geht um den Zusammenbruch der Welt insgesamt, um die Zerstörung der bestehenden Herrenmacht."

...und so eine Geißel ist schnell gebastelt, Herr Ackermann...

Sonntag, 27. November 2011

Gegeneinander

Jeden Morgen erwache ich, erzählt sie, und mir gegenüber sitzt eine Fremde, die ich nicht lieben kann. Ihre Augen sind die meinen, ihre Hände greifen gleichzeitig mit mir nach Tasse und Messer, unsere Bewegungen sind Schatten der anderen. Und doch lacht manchmal die eine während die andere schweigt, und doch weint die eine und die andere liest ein Buch. Wenn sie einander begegnen schweigen sie sich an, versuchen voreinander davonzulaufen, ohne dem Spiegel entkommen zu können.
Zusammen drehen wir den Schlüssel im Schloss, fahren mit der U-Bahn zum Stadtrand und starren auf die Hochhäuser. Die eine betrinkt sich, die andere bleibt nüchtern, um sie an Worte zu erinnern, die nicht aufgeschrieben wurden. Ich hasse sie.

Samstag, 26. November 2011

Crazy Clown Time

Zeit für einen letzten Spaziergang, es scheint allerdings kalt zu sein, mondlose Nacht. Die Häuser tun die Augen auf, der Wald steht schwarz und abgedrängt und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. 
Im Park steht ganz zentral ein gigantischer stählerner Müllcontainer, den ich umstreife wie ein Pilger die Kaba, die Hündin hält Abstand und das Ding für verdächtig. - Das ist vielleicht genau die richtige Situation, um in das neue David Lynch-Album "Crazy Clown Time" mal reinzuhören. Und wirklich: es wird unwirklich.
Plötzlich steht in roter Schrift "Dutschke" auf dem Container und er sieht irgendwie auch ein wenig rebellisch aus. Ich flüstere "Ey, Rudi, altes Haus, biste da drin?", doch niemand antwortet. Vorsichtig klopfe ich an die metallene Wand und hohl klingt es wieder. Ich lausche, klopfe abermals, räuspere mich und sage "Herr Dutschke?" - Nichts geschieht.
Die Hündin kommt zurück und fragt, ob es denn nun weiterginge, ich hätte schließlich lange genug am Container gestanden und ganz offensichtlich sei Rudi nicht darin, außerdem sei "Dutschke" ja nur ein Nachname wie tausend andere auch, da könne ich doch wohl kaum schließen, dass, wo Dutschke draufstehe, auch Rudi drin sei, sie habe da so ihre Erfahrungen - und sowieso, Worte seien im Allgemeinen nur Schall und Rauch, abgesehen davon habe sie eine auffällige Ähnlichkeit des Containers mit dem Monolithen aus "2001: A Space Odyssey" bemerkt, die ihr Anlass zur Sorge gäbe, es wäre, bitteschön, ganz freundlich von mir, mit ihr gemeinsam Fersengeld zu geben.
Ich sehe sie an und frage einigermaßen erstaunt: "Du? Seit wann magst du denn Kubrick?"

Donnerstag, 17. November 2011

Heavy Rotation

Die überschätzte Diagonale legt sich quer, in den Halbrunden der Hörsäle gehen die Uhren aus, verwegene Vaganten biegen Skulpturen aus nächtlichen Gleisen im Dunkel kauernder S-Bahnen. Die Stromproduktion läuft an, die Pipelines sind für uns alle gut, vor allem für die Hirten und die Schafe. Im lockigen Fell zeichnen sich Muster ab, Mandelbrotmengen vorhersagbarer Börsengänge. Einerseits muss man ganz dringend schlafen gehen, andererseits kann man nicht aufhören mit dem Nachdenken. Immerhin steht die Invasion kurz bevor, die hellen Bäuche der Alienschiffe schimmern durch die Wolkendecken über jeder größeren Stadt. Dazu wummern die repetitiven Strukturen industrieller Abläufe wie serielle Musik für ganz ganz helle Köpfchen.
Mal ehrlich: wer würde sich in dieser Welt nicht zu Hause fühlen?
Na, eben: Monsieur!

Sonntag, 13. November 2011

Rochade

Pessoa legt Hut und Mantel ab, die schwarzen Schuhe glänzen wie frischer Kaffee. Er kniet sich vor die Truhe und verstaut drei seiner Schatten darin. In den Spiegeln die Gesichter der anderen, die sich für eine andere Sprache und andere Worte verbürgen, Futuristen, Romantiker, sogar Realisten. Sie alle versammeln sich um ihn, schlagen in der Stille die Augen nieder. 
Die große Müdigkeit klopft sachte an die Tür, das Licht sieht sich aus dem Zentrum des Raumes gedrängt, nicht abgeschickte Briefe lesen sich flüsternd in fremden Sprachen selber vor.
Ein kalter Wind weht durch die Rua Coelho da Rocha als Pessoa mit zittriger Schrift auf das leere Blatt schreibt:
"I know not what tommorow will bring."

Dienstag, 8. November 2011

Teilchenbeschleuniger

Da will man uns Eigeninteressen als gesellschaftliche Allgemeininteressen verticken. Und Angst machen – zitternd vor Angst ist man ja immer schnell für alles zu haben, was Besserung lügt. Wie leicht wird man zum Komplizen. Und wer hat nicht alles schon den Orden wider den tierischen Ernst bekommen? Wie auch immer: Jede Rappelkiste-Sendung enthält mehr politische Theorie als ein Abend auf N24.
Werfen wir doch lachend die Holzschuhe in die Maschine, stören die Mechanismen und Automatismen. Was nicht mehr rund läuft wird bunt. Die Dysfunktionalität der Systeme macht das Individuum groß, in der Zerschlagung des Allgemeingültigen ist jede angebliche Wahrheit zu prüfen, jede Autorität zu verlachen, jede angebliche ‚Alternativlosigkeit‘ unakzeptabel.
Durchschreiten wir das strategische Feld der Machtbeziehungen, entblättern die hegemonialen Strukturen, lassen den Widerspruch zum Einspruch werden, dekonstruieren die Worte der Vielsprecher, lassen uns nichts vordenken! Wir sind der Schwarm, wir wissen mehr, wir hören und sehen alles.
Wenn wir auf einem Weg nicht durchkommen können, wählen wir einen anderen.

Sonntag, 6. November 2011

Ein Traum

Im harten Bett des Winterschlafs
liegt einsam eine Möhre
Ich schlaf heut nicht, ich bleib noch wach
Ich will sie doch nicht stören

Sonntag, 23. Oktober 2011

Am 28. Februar 1571

Er wendet sich ab, steigt den Turm hinauf, zieht sich, müde vom Treiben der Welt, zurück.
Er lässt sich Inschriften auf den Balken anbringen, lässt sie einbrennen in das Holz - die Summe der Weisheiten, die Stimmen der Alten, Sätze wie "Ich sehe, dass wir alle, die wir leben, nichts sind als Schemen oder flüchtige Schatten." oder "Ich verstehe nicht."
Er sperrt alles aus, um zu denken. Er verflucht die Welt nicht, allein: er hält nicht viel von ihr, sitzt zwischen Büchern, schaut wie das Licht langsam an der groben Steinwand entlang wandert.
Er schreibt einen Text und der Text schreibt ihn. Er ist für alle Zeit der Mensch, der in selbstgewählter Einsamkeit zu sich kommt, dessen Versuche noch heute jenes "Que sais-je?" als Frage in eine Welt halten, die keine Frage mehr zum Ende denkt.

Zeit, in den Turm zu gehen, Worte in die Balken zu brennen, die Welt auszusperren.

Freitag, 21. Oktober 2011

Montag, 17. Oktober 2011

Now I know: a year has 12 days

Eine Biene fliegt um den Kaffeebecher. Niemand weiß, was es bedeutet.
Ich stehe auf und sage: "Sie ist tot!"
Die anderen sehen mich nicht an, aber ich weiß, dass sie keine Ahnung haben, wovon ich spreche.
Ich sage: "Manchmal schreibt sie ein Wort so oft, dass eine einsame lange Schlangenlinie daraus wird. Dann darf man ihren Namen nicht sagen. Sie ist im Begriff zu vergessen, wer sie ist."
Die anderen schauen zu Boden, setzen aber dann ihre gemurmelten Unterhaltungen fort.
Es kann sein, dass diese Abende länger sind als andere. Auf sie folgen stille rußgeschwärzte Nächte.
Und die Biene?
Was flüstert die verirrte Biene in Gegenwart des Kaffeebechers?

Freitag, 14. Oktober 2011

Die Hausnummer ist 123

„Die Spiele haben Farben wie anderswo die Tiere“, sagt sie und lacht. Ich schüttele den Kopf: „Das ist mir zu politisch.“ Ich lache nicht. Wir lauschen auf den Äther: In Frankfurt zünden sie die Autos an, im Radio ist man bemüht, zu erklären, dass es alle Fabrikate betrifft – wichtig: Kraftfahrer-Solidarność erzeugen! Nächste Meldung: Occupy Wall Street und „Fuck the FED“ – ernstzunehmender Widerstand? In den USA? Da brat mir aber mal einer einen Storch! Meanwhile in Germany: Arbeitgeberpräsident Hundt hält Mindestlohn für "realitätsfern", er will die "Geringqualifizierten" durch Unterbezahlung 'in Schutz nehmen'. *hust*
In Frankreich: Schülerproteste gegen die Rentenreform! Mein lieber Scholli, was sind die Eleven weitsichtig. Und schon wieder brennen Autos. Haben denn die Leute den hübschen Meinhof-Aufsatz zur Kaufhausbrandstiftung nicht gelesen? Warenvernichtung kitzelt den Kapitalkreislauf kurz am Fuß und alle lachen. 
Später: Die Funknachrichten sind passé und wir stehen im leichten Regen vor Adornos Haus in der Kettenbachstraße, Frankfurt/Main. Sie raucht eine Zigarette zu Ehren des zweitgrößen Fernsehqualmers aller Zeiten und sagt: „Die Grenzen der Welt sind die Listen der eigenen Angst. Niemand kann sich von ihr freisprechen, aber jeder kann sie überschreiten.“

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Nacht, Regen

Bei diesem Wetter drei Uhr nachts mit dem Hund rausgehen, durch den Regen stapfen und "Plainsong" von The Cure hören. Fühlt sich an, als würde es nimmer hell!

>> "I think it's dark and it looks like rain," you said, "And the wind is blowing like it's the end of the world," you said, "And it's so cold it's like the cold if you were dead," and then you smiled for a second. <<

Dienstag, 11. Oktober 2011

Kalte Herberge "Utilitaristische Ethik"

Moral und Freiheit, Umstände und Nutzen, Einschränkungen und Entschuldigungen. Infiniter Regress, Zirkelschluss, und eins fehlt noch (oder drei, je nach Modell).

Kann man bei allem fragen, woher es kommt, welchen Schaden seine Objektwerdung angerichtet hat und noch anrichtet?
Das Abstrakte eines fernen Todes macht unsere Produkte so leicht und günstig, unsere Tage so gutlaunig und bedürfnisreich, so erfüllt und bequem. - Doch Sokrates fiel das Trinken nicht schwer. Jene, die sich durch das Urteil ins Unrecht setzten, sah er als verzweifelter. Also lieber Unrecht leiden als Unrecht tun?

Freitag, 7. Oktober 2011

Der Abstieg

Verachtung für die Götter, Hass auf den Tod und die Liebe zum Leben: diese drei Dinge zeichnen Sisyphos – so Camus – aus.
Sisyphos stört die olympische Ordnung. Er verrät die geheimen Machenschaften Zeus’, legt Thanatos in Ketten, sodass auf Erden niemand mehr stirbt, und kehrt listig aus dem Reich des Todes zu seiner Frau zurück.
Doch Zeus’ Rache ist unausweichlich und so kommt der Mensch zu seinem Felsen, den er wieder und wieder den Berg hinauf zwingt.
„Sein Schicksal gehört ihm.“ Indem er den Stein als sein Schicksal annimmt, indem er am Hang mit der Inbrunst des Menschen wütet, vertreibt er die Götter aus dieser Welt.
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.“ – und Sisyphos führt seinen Fels, immer wieder aufs Neue. Er weiß, so Camus, „dass die Nacht kein Ende hat.“
Doch jede Form der Materie hat ein Ende und Sisyphos hat Zeit: er zerreibt den Stein am Hang. Das ist seine Lösung. Und er besiegt die Götter ein letztes Mal. 
Ich glaube, wir müssen uns Sisyphos nicht nur als einen glücklichen, sondern auch als einen geduldigen und entschlossenen Menschen vorstellen. 

Samstag, 1. Oktober 2011

Wiesengrund tut Wahrheit kund

»Die Evidenz des Unheils kommt dessen Apologie zugute: weil alle es wissen, soll niemand es sagen dürfen, und gedeckt vom Schweigen mag es denn unangefochten weitergehen. [...] Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.«
Adorno, Minima Moralia

Donnerstag, 29. September 2011

Systemzeit

Ich hätte in Hotels gelebt
mit schweren englischen Vorhängen
und hohen Fenstern
jede Nacht das Zimmer gewechselt
das elektrische Licht gelöscht
die Jugendstilmöbel hätten ausgesehen
wie damals in Bruxelles
vor der Flut

Und Maldoror, mein Liebster,
hätte die Wunden geöffnet,
um die Sterbenden zu kosen

Doch jetzt ist jetzt:
An einem Tag der Schatten
Bist du frei?
Im letzten Bogenstrich der Fuge
wo das Interstellare ausfranst
such ich Freiwillige für den Galgen
Die Wellen schlagen ans Nachtschiff
Hammerschläge der Armut

Es gibt kein Vermächtnis
und aus Glas ist die Hoffnung der Kinder

Montag, 26. September 2011

Richards Schnäuzer

Nacht. Zeit, sich nach Babylon einzuschiffen. Detective Smith Smith kämpft gegen die Roboterarmee. Er träumt kämpfend und kämpft träumend - der Grund, warum er nie ein besonders vielversprechender Privatdetektiv war.
Das Licht der Straßenlaternen reißt Halbkreise aus dem Dunkel, der Typ im Leichenschauhaus kocht den scheußlichsten Kaffee aller Zeiten, die blonde Dame trinkt ihr Bier ohne Maß.
Als C. Card bin ich in den Straßen von San Francisco unterwegs, während im Redwood Creek die Zeit innehält, kurz aufatmet und sich im Rauschen der Bäume fortsetzt.
Es ist Zeit, in die Bibliothek zu gehen, in der all die Bücher stehen, die niemals gedruckt wurden. Es ist Zeit das Schlüsselwerk über 'Kakteenzucht bei Mondenschein' zu lesen, zwischen den Regalen entlang zu schlendern, den Finger über die Buchrücken streichen zu lassen, die Jahresringe der Mammutbäume ungezählt zu bestaunen.
Jimmy Pygmalion verfolgt die Dame, die er sich selbst basteln wird, bricolage heißt das Konzept, und wildes Denken - bevor die Zusammenhänge durch die idiotische Kausalität erkalten. Die Kyniker halten uns die Wahrheit vor Augen.

Am Ende aller Zeit zählt allein: Warst du rechtzeitig Forellen fischen? Oder hast du wieder nur auf dem Balkon rumgehockt und aus Maisblättern gedrehte Zigaretten geraucht?

Samstag, 24. September 2011

Montag, 19. September 2011

Als Jean-Luc Godard den Jump Cut erfand...

...also etwa 1959 oder 1960, was weiß ich wann er À bout de souffle geschnitten hat, hab ich noch nicht existiert und rechts war noch rechts und links noch links. Kapitalismus war noch kein lustiges Wort, keiner hat dazu gelacht und die fatale Wippe aus Markt und Macht und Staat war vielleicht noch etwas beweglicher. Afrika war nach der Abschüttlung diverser Kolonialmächte berechtigt, ein wenig Hoffnung zu entwickeln und JFK nahm die Welt mit seinem Zahnpastalächeln für die USA ein, solange man sich nicht zu sehr bemühte, hinter die Fassade zu schauen.
Am 19. September dachte ein gewisser Markus Hembswegger über den Zustand der Welt nach - und kam zu keinem konkreten Ergebnis. Außer vielleicht: 'es gibt stündlich weniger Dialektsprecher' und 'sieben mal sieben ist deutlich mehr als 45'.
Adorno notierte sich in sein berühmtes kleines Büchlein den weisen Satz 'Was nützt einem Gesundheit, wenn man sonst ein Idiot ist', lauschte auf Chubby Checkers "The Twist" im Radio (was sicherlich nicht sein eigenes war, verfluchter Verblendungszusammenhang der Medien). Marcuse träumte schon davon, wie schön das Fernsehen uns alle beruhigen könnte in Zeiten gärender Revolte.
Das 1947 entwickelte AK47 wurde überarbeitet und als "Awtomat Kalaschnikowa Modernizirowannij" schon wieder ein Kassenschlager, der weltweit Frieden stiftete.
Niemand (=Odysseus) hatte den Plan, eine Mauer zu errichten, niemand sah Engel, niemand wachte. 
Und heute, in der Ultramoderne, bleibt ein verhaltenes Unbehagen, dass man irgendwann den Weg hätte aufhalten können, den die westlichen Gesellschaften einschlagen - und der uns am Ende alle alle glücklich und zufrieden machen wird - wenn wir nur genug Soma bekommen...oder Prozac...oder Fluxetin...oder Lexotanil...oder oder oder...

Die Gegenwart berechtigt uns nicht zur Hoffnung, schon gar nicht zur Hoffnung auf eine Lösung, die wir nicht selber sind.
Doch alles, was ist, fordert uns auf zum Widerstand!

Samstag, 17. September 2011

When the Sleeper Wakes...


Something is Rotten in the State of Denmark.
 - Shakespeare, Hamlet -

Fiat Lux
Genesis 1,3 - (& Léo Malet)

Incoming!!!
Andrew Eldritch -


P.S. Hommingberger Gepardenforelle

Donnerstag, 15. September 2011

Tomiloffs Plan

Sieben Jahre, so erzählt man sich, habe Tomiloff an seinem Plan zur Abschaffung des Dunkels gearbeitet. Er sei zunächst, so sagt man, missverstanden worden – man habe ihm Taschenlampen, Glühbirnen und Kerzen angeboten. Es sei ihm nicht gelungen, das Dunkel zu definieren. 
In einer weiteren Phase verstand man sein Vorhaben metaphorisch. Man vermutete, er wolle sprichwörtlich „Licht ins Dunkel bringen“, nannte ihn einen verspäteten Aufklärer oder rückwärtsgewandten Propheten. Tomiloffs Gesicht, so wird berichtet, ließ in dieser Zeit keine Regung erkennen, eine gewisse Unbeirrbarkeit und Entschlossenheit hätte man jedoch nicht leugnen können.
Tomiloff ließ sich, soviel ist nun bekannt, nicht beirren. Im frühen Januar des vierten Jahres, so hört man sagen, habe er eine erste Apparatur entwickelt, um das Dunkel im Licht des Tages sichtbar zu machen. Gleichzeitig, so weiß man jetzt, entwickelte er eine Maschine, die das Dunkel materiell erfassbar und komprimierbar machte. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass in einer ersten Phase bis zu 4 Kubikmeter des Dunkels auf die Größe eines etwa 4x4x4 cm großen Quaders geschrumpft werden konnten.
Viele verbargen vieles im Dunkel, das Tomiloff sich anschickte zu minimieren. Es heißt, spätestens an diesem Punkt sei sein Plan auf Widerstand gestoßen.
Vor etwa einem Jahr, dies gilt nun als gesichert, gelang es Tomiloff den Rauminhalt des Dunkels einer ansehnlichen Kathedrale (als Beispiele werden Amiens oder Chartres genannt) auf ein etwa spielwürfelgroßes pechschwarzes Objekt zu komprimieren. 
Heute sieht man allerorten Leute, die das Dunkel preisen, während Tomiloff an dessen Beseitigung arbeitet. 
Vieles wird offenbar werden. Und nur weniges davon ist gut. 
Vieles was im Dunkel noch erträglich war, wird seine hässliche Fratze im Lichte zeigen. Darum, sagt Tomiloff, ging es bei der Entwicklung der Apparatur. Um die Abschaffung des Dunkels.

Mittwoch, 14. September 2011

Gegen den Strich

Nachts, wenn im Dorfe alles schläft, brennt noch das Licht im Chateau de Blog. Man sieht livrierte Diener lautlos gleiten und die Liqueurorgel befüllen, die safrangelben Balsam auf die Zunge träufelt. Über den schweren roten Teppich kriecht unterdessen eine mächtige vergoldete und mit Edelsteinen besetzte Schildkröte. Auf den Wegen im Park wird von dienstbeflissenen Lakaien Kohlepulver ausgestreut und die Brunnen werden mit schwarzer Tinte gefüllt, während der Herr im violetten Samtanzug die Hand um den Knauf des silbernen Stocks schließt und den Blick über das Anwesen schweifen lässt, in Gedanken an die Passagen bei Les Halles, die er als junger Mann durchstreifte.
Die schwarzen Kerzen flackern vom bald schon müden Wind und tief unten in den Kellern ist man damit beschäftigt, die Dunkelheit zu verwalten. Aus den Gewölben dringt Musik an die Ohren des Herrn, der kurz innehält im Gedanken an die Nichtigkeit und lächelnd flüstert:

"I tried to tell her
about Marx and Engels
God and Angels
I don't really know what for
But she looked good in ribbons..."

Sonntag, 11. September 2011

Wittgensteins Leiter

"Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)
Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig."

L.W., Tractatus

Vorschlag zum Tätscheln mentaler Prozesse

Die tektonischen Platten meines Bewusstseins
sind quasi Pizzabäcker in der Nacht
Schließlich bin ich es, der gesehen hat,
wie Gott barfüßig aus einem roten Nissan Micra stieg

Meine Ausweisnummer ergibt rückwärts gelesen
die Zahlensequenz ab der 132. Stelle von Pi
Keine Sequenz wiederholt sich  in Pi
Die Chassidim können aus Pi den Namen Gottes errechnen
Aber nur ich weiß, welchen Wagen er fährt

Und das steht nicht in der Kabbala, alle Achtung, Chapeau

Die Rahmenbedingungen des Lebens sind das erste Problem
Und dann kommt die Freiheit und man meint man könnte aber kann nicht oder auch doch

Als philosophisches Experiment No. 1 schlage ich vor
Ein Kleidungsstück tragen, was einem nicht gehört

Als philosophisches Experiment No. 2 schlage ich vor
Etwas essen, dessen Namen man nicht kennt

Als philosophisches Experiment No. 3 schlage ich vor
Ein unbekanntes Tier streicheln

Als philosophisches Experiment No. 4 schlage ich vor
Einer Gewohnheit aus dem Weg gehen

Als philosophisches Experiment No. 5 schlage ich vor
Gleichzeitig trinken und pinkeln

Als philosophisches Experiment No. 6 schlage ich vor
An der Burger King-Theke einen McRib bestellen
(unbedingt insistieren)

Als philosophisches Experiment No. 7 schlage ich vor
Sich eine Sache überlegen, die man in der Welt unbedingt ändern müsste, und sofort (wenn auch nur in kleinem Rahmen) etwas dagegen unternehmen

Als philosophisches Experiment No. 8 schlage ich vor
Auf dem nächsten Tierfriedhof vor einem Grab weinen 

Als philosophisches Experiment No. 9 schlage ich vor
Gläubige: 2 Minuten blasphemisch fluchen, Ungläubige: 2 Minuten ehrlich beten

Als philosophisches Experiment No. 10 schlage ich vor
Eine Mahlzeit ausfallen lassen und sich bei einem großen Glas Wasser Gedanken machen
(dazu bitte auch das iPhone weglegen, das stört!) 

Freitag, 9. September 2011

Islington, September 9th

Zwischen den Buchstaben die Hundepfoten, die trippeln
wo wir wie Eichhörnchenjunge im Hinterzimmer sitzen
und drum würfeln, wer nach draußen muss, um Holz zu holen
und die Nacht fällt
und fällt
einer legt Peter Licht auf und es geht sowas von los
wir fahren den Wagen mitternachts in den Baggersee
wir schwimmen und verschwinden
bis wir finden, was wir nicht gesucht haben
und irgendeiner sieht den weißen Wal von Ferne blasen
und alle wollen immer mehr, aber mehr ist nicht gut
jetzt heißt es Wirtschaftsliberalismus, Freihandelszone undsoweiter
bis dann einer Kaffee macht und alle sitzen ganz betreten da
und schauen in die Ferne, als wär der Horizont bedruckt
mit irgendwas nur mittelmäßig Niederschmetterndem
wie z.B.
weniger ist die Lösung
die Erlösung
bis ich dann sehe, dass er es wieder nicht lassen kann
und Cut-ups macht, die auf den Tischen die Buchstaben mischen
jetzt mal konkret
ihr habt doch verstanden, was ich meine
das ist direkt so, als würd' sich ein weißer Hase mit einem Schraubenschlüssel in einen Kreis setzen und behaupten, er hätte von nichts gewusst

ich hatte mal einen Hasen, der hieß Ahab
und so hieß er bestimmt nicht, weil er ein Holzbein hatte
ne meine Lieben
so hieß er, weil er die Harpune küsste,
die hier in meinen Händen ruht


http://www.youtube.com/watch?v=d3WRxgWUVAA

Donnerstag, 8. September 2011

The Turn of the Screw

An der Wand neben dem Fenster hängt ein weißes Plastikschild: „Das Öffnen der Fenster ist aus Gründen der Raumklimaregulierung verboten. Der Rektor“
Es ist geschickt angebracht, ich habe es noch nie entdeckt, erst jetzt, wo meine Hand sich anschickt, den messingfarbenen Griff des Fensters zu berühren, fällt mein Blick darauf.

Mittwoch, 7. September 2011

Make Love, not War !


There is no path to peace. Peace is the path. [...]
I cannot teach you violence, as I do not myself believe in it. I can only teach you not to bow your heads before any one even at the cost of your life.



Mahatma Ghandi

Dienstag, 6. September 2011

Der kommende Aufstand

"Es gibt keinen Grund mehr zu warten – auf eine Aufheiterung, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht, was kommt, sondern was da ist. Wir verorten uns bereits jetzt in der Bewegung des Zusammenbruchs einer Zivilisation. Dort ist es, wo man Partei ergreifen muss.

Nicht mehr zu warten heißt, auf die eine oder andere Weise in die aufständische Logik einzutreten. 

Es bedeutet, aufs Neue das leicht erschreckte Zittern in der Stimme unserer Regierenden zu hören, das sie nie verlässt. [...] [J]eder Akt des Regierens ist nichts als die Weise, die Kontrolle über die Bevölkerung nicht zu verlieren.
Wir gehen aus von einem Punkt der extremen Isolation, der extremen Ohnmacht. Alles ist aufzubauen im aufständischen Prozess. 

Nichts scheint unwahrscheinlicher als ein Aufstand, aber nichts ist notwendiger."

Comité invisible / Unsichtbares Komitee:
L'insurrection qui vient / Der kommende Aufstand
2007 / 2009



Zur Erläuterung: Der kommende Aufstand ist ein politischer Essay, der in Frankreich zum Bestseller wurde. Die Analyse der politischen Situation wird selbst in der bürgerlichen Presse überraschenderweise gelobt, kritisch sind selbstverständlich die vorgeschlagenen 'Lösungen' zu sehen. 

"Die Autoren sind ein namenloses Kollektiv, was nicht verhindert hat, dass das Buch glänzend geschrieben ist. Das schmale Werk, das im Original den Titel „L'insurrection qui vient“ heißt, könnte das wichtigste linke Theoriebuch unserer Zeit werden." (FAZ, 08.11.2010)


Montag, 5. September 2011

Uhrwerk Banane

"Ich habe keine Ahnung wie das Böse in die Welt kam", beteuerte der schmächtige Filialleiter mit der Kinderuhr. "Wirklich, er weiß es nicht!", flehte die sonst so diplomatische Assistentin.
"Sie haben nicht ein malenki bisschen Ahnung, meine lieben Droogs", wandte sich Alex mit tiefbetrübter Miene an die Jungs, die Hand auf den Stock gestützt, das Auge blitzend unter der schwarzen Melone.
"Sollen sie doch mal ein urs Denki Denki machen bis der Gulliver brummt", grinste Pete, auf seiner Lippe noch eine Spur Moloko Plus aus der Korova Milchbar.
"Aber", flüsterte Alex verschwörerisch, "was ist, wenn die beiden" - er lupfte kurz seine Kopfbedeckung - "maltschik sind im Gulliver? Wenn die Rasoodocks es nicht mehr tun?" Abwesend betrachtete er für einen Augenblick einen winzigen Blutfleck im Stoff seiner weißen Hose. "Sollten wir ihnen dann nicht mit dem guten alten Ludwig van den Weg weisen? Damit sie lernen, zu sluschen und nicht mehr ohne Grund so puchlig glasen." Selbstvergessen dirigierte Alex - poco sostenuto - den Beginn der 7. Sinfonie in die kühle Abendluft. Seine Droogs fassten die Stöcke fester; die Gesichter voller Vorfreude auf die Versprechungen der nahen Zukunft riefen sie "Righty right!"

Dienstag, 30. August 2011

Empire down

i hear the roar of a big machine
two worlds and in between
love lost and fire at will
dum-dum bullets and shoot to kill
i hear dive, bombers
and
empire down
empire down


(sisters of mercy: lucretia, my reflection)

Donnerstag, 25. August 2011

erklärung vom 25. august 2011

am donnerstag, den 25. august 2011 hat das kommando arno schmidt die köpfe der behörde zur verwaltung von wissenschaft und lehre entführt. für die verdummungsstrategen soll diese stadt kein rückzugsort sein. sie müssen wissen, dass ihre vergehen an geist und forschung nicht ungesühnt bleiben.
ab dem 27. august wird das kommando mit der lauten lektüre von „die welt als wille und vorstellung“ beginnen, bis die beschuldigten den verblendungszusammenhang aus macht und missbrauch erkennen.

betätigt die gehirne
vernetzt die neuronen
enteignet die feinde des geistes

kommando arno schmidt

Montag, 22. August 2011

Das Institut

In  völliger und dauernder Demut senkte K. sein Haupt vor dem Institut. Hatten ihn in früheren Jahren noch Zweifel geplagt, wurden diese mit jeder Maßnahme des Instituts farbloser, nichtiger, verflüchtigten sich. Hier war das Wort zugleich Tat – und die Tat war gut.
Niemals nahm das Institut Entscheidungen vorweg, die durch eine Wahl der Untergebenen nicht ebenso entschieden worden wären. Nur Spötter zweifelten an der unendlichen Weisheit und Gerechtigkeit des Instituts.
Es war und ist Arbeitsgrundsatz des Instituts, dass mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen, und er ist notwendig, wenn äußerste Integrität der Handlung erreicht werden soll.
Das eigentlich Charakteristische des Instituts, so war sich K. mehr und mehr sicher,  ist seine Unvergänglichkeit. Das Institut, so wusste er schließlich, ist die unverbrüchliche Wahrheit selbst. 

Montag, 15. August 2011

Verlustgeschäft, Malewitsch!

Wir haben die Namen an Wände geschrieben, mit immer derselben Feuerfarbe, mit immer derselben Geste. Wir haben Worte zu Worten gemacht, aus hellen Buchstaben nichts als Dunkelheit.
Wir haben die Todeskandidaten befragt nach ihren Wegen und haben sie doch nie finden können, wir haben alles gemacht wie es auf Seiten steht und vielleicht irrten wir uns im Licht; Alles war Gegenstand, nichts als Dinglichkeit.
Und sie haben die gigantische Maschine eingeschaltet im ersten Morgenrot. Der Planet hat sich bewegt wie lebendig, hat seiner Oberfläche Richtung gegeben...und alles, alles war falsch.

Mittwoch, 27. Juli 2011

Tja

Alles durchschaut haben und dennoch am Leben bleiben -
es gibt keinen unmöglicheren Zustand.


Emil M. Cioran

Mittwoch, 20. Juli 2011

Methodisch angelegte Untersuchungsanordnung

Mit den gleichen Suchworten finde ich bei Google als erste drei Treffer einen Text von Spinoza, einen Text von Hegel und die Montageanleitung der „Surfbretthalterung für ein Hubdach“ (was auch immer ein Hubdach sein mag).
Gesucht habe ich etwas zum Sein des Dings, zum Wesen des Seienden und der Unterscheidung der Dinge von Nicht-Dingen. - Ist es möglich, dass die Surfbretthalterungsanleitung ein hermetischer Text ist, der Spinozas Ethik und Hegels Logik der Wissenschaft in nichts nachsteht? Und steht dies möglicherweise in Zusammenhang mit einem Ereignis, das kaum gefeiert wurde, aber dennoch für sich gesehen recht erstaunlich ist (Ergebnis Nr. 4): ein in Gefangenschaft aufgewachsener Eisbär löst Rubic’s Cube (den Zauberwürfel aus den 80ern).
Der nächste logische Treffer: „Kein Ding der Welt liegt außerhalb des Bereiches der Vorsehung.“ – und dieses Leben, da bin ich mir plötzlich ganz sicher – ist doch nur ein Experiment.

Samstag, 16. Juli 2011

Naive Vorstellung von der Veränderung der Weltordnung

Oh Du höheres Wesen, das wir verehren,
zur Veränderung der bestehenden Weltordnung schlage ich (1.) die Entfernung jedes Lebewesens von diesem Planeten vor, das regelmäßig mehr als 666$ (bzw. Währungsequivalent) verdient und/oder eine Feuerwaffe besitzt. Die restlichen Humanoiden sollten dann (2.) jeweils mit ihrem engsten Sozialverbund (Familie) auf der Oberfläche dieses Himmelskörpers wild durcheinandergewürfelt, also quasi deterritorialisiert, werden.

Nur ein kleines Experiment - wenn ich morgen futsch bin, weiß ich, dass Du mal was versuchst...

P.S. Der Geldbetrag ist durchaus ein kniffliges Problem. An dieser Stelle muss darüber entschieden werden, ob die sog. 1. Welt komplett entfernt oder rudimentär erhalten wird.

P.P.S. Ein herzlicher Gruß, geht, die Anrede hat es bereits deutlich gemacht, an den lieben Dr. Murke!

Freitag, 15. Juli 2011

Civil Disobedience

»Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es dich zwingt, einem anderen Unrecht anzutun, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten. […] Eine Minderheit ist machtlos, wenn sie sich der Mehrheit anpasst; sie ist dann noch nicht einmal eine Minderheit, unwiderstehlich aber ist sie, wenn sie ihr ganzes Gewicht einsetzt.«

H.D.Thoreau, Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat, 1849

Donnerstag, 14. Juli 2011

Wertung

Was läuft eigentlich falsch, wenn die Politik vor privaten Ratingagenturen zittert? Wenn ein ccc von Fitch oder Moody's bedeutet, dass man den Laden bald dicht machen kann, sollte man nochmal über Machtverhältnisse und den Kapitalismus als solchen nachdenken.
Die Presse könnte doch vielleicht allen einen Gefallen erweisen und nichts mehr über diesen Mist schreiben. Könnte man die ganze Rating- und Berater-Mischpoke nicht generell aus dem Diskurs aussperren - statt sie durch die verstärkte Berichterstattung zu ermächtigen? Egal ob AQAS, Fitch, McKinsey - am Ende sitzen da immer Menschen, meist nicht besonders kompetent, eher Generalisten, die viel Geld mit ihren intendierten Fehleinschätzungen verdienen. Und ein System manipulieren - weil man sie lässt.

Montag, 11. Juli 2011

Platung ! ! !

Jemand schreibt in einer Klausur durchgängig Platon als "Platung" (also lautmalerisch etwa das Geräusch, was entstehen könnte, wenn man einen harten Philosophenschädel in einen ausgetrockneten Brunnen würfe).
Daran, dass Mimesis nur eine "Memmsis" (also was für Memmen) ist und ein Plagiat ein "informativer Aushang" (erst jemand anderes hat mich darauf gebracht, dass es wohl mit einem "Plakat" verwechselt wurde), hab ich mich ja fast schon gewöhnt - aber bitte reserviert mir trotzdem schon mal einen Platz im Heim. Genau in dem Raum, wo die anderen Dozenten mit Neigung zu Hospitalismus bereits rumschaukeln.