Samstag, 25. April 2009

Sein und Zeit :-)

Auch wenn die Zeit keine Konstante ist, so ist sie doch nicht umkehrbar, und im Zurückblicken kann man nichts verstehen, man kann nur etwas anderes verstehen.
Zuweilen versucht man, einen Zusammenhang zu konstruieren, Linien zu ziehen, um etwas neuerlich aufzurollen. Man findet Gründe für Entwicklungen, für Veränderungen, aber man ist jemand anderes, man ist nicht geblieben. Man steigt eben nie ein zweites Mal in den selben Fluss...

Und wenn schließlich doch alles folgerichtig erscheint, wenn doch alles irgendwie passt und Kausalitäten offenbar werden, sollte man nicht der Illusion erliegen, dass unsere Identität vor allem unser eigenes Projekt sei.
Auf der Suche nach Sinn erzählen wir uns unser Leben als Geschichte, als wohlgeformte Narration, als Fiktion. Wir schaffen Kohärenz, glätten die Widersprüche, entspannen den Widerstreit - und retten uns damit vor dem Eindruck, dass wir die Sache letztlich doch nicht in der Hand haben, dass wir anrennen gegen eine Wand, die höher ist, als unser Denken.

Für den Abend hat man Gewitter angesagt, doch ich sitze in der Sonne; drinnen köchelt das Chili, der Hund liegt faul auf der Seite und zieht die spitze Schnauze kraus. Ich versuche in Dir zu lesen, versuche zu verstehen - bis mir auffällt, dass ich nur ein einziges Wort zu denken brauche: Jetzt!

Mittwoch, 22. April 2009

Und manchmal sogar...

Es gibt keinen Grund wegzulaufen, man ist immer da, immer bei sich. Es gibt eine Person, die man nicht verlassen kann, die einem durch den Regen folgt, mit den selben schnodderigen Schritten, mit dem selben hochgeschlagenen Mantelkragen, mit den selben Augen.

Es gab mal eine Zeit, da sickerte Zufriedenheit ein, alles war von ihr bedeckt, nein, es war kein Glück, auch kein kleines, es war Zufriedenheit; das ist das Gegenteil von Abenteuer, es war in etwa so, als akzeptiere man endgültig, als arrangiere man sich, mit sich, der Welt, den anderen. Es ist betäubend auf diese Art zu sein, aber es lässt einen lächeln, sich zurücklehnen, es läßt einen in Ruhe. Sterben.

Im Moment bin ich nicht zufrieden. Und manchmal sogar glücklich.

Montag, 20. April 2009

Spuren

Auf dem hellen Teppich, an den weißen Wänden fängt sich kein Schatten, alles bleibt ruhig, und ich frage mich, ob man Jahre des Lebens ebenso aus Räumen tragen kann, wie Möbel, wie Gegenstände und Apparate. Vielleicht bleibt nur ein winziger Fleck auf der Auslegeware zurück und erzählt von einem umgekippten Weinglas, von einer Feier, bei der liebe Freunde in die Badewanne kotzten, um sich dann peinlich berührt zu verabschieden.
Man sollte seine Erinnerungen in die neue, unbelebte Wohnung übertragen, einen Weinfleck an ähnlicher Stelle machen, hier und dort mit einer Zigarette eine Anekdote in den Boden brennen, einen kindlichen Wunsch in die Holzverkleidung des Küchenschrankes ritzen und sich vormachen, man hätte eine Geschichte, die es sich zu erzählen lohnt. Denn wie wohltuend ist es, nach zwanzig Jahren in der Oberfläche seines Schultisches noch immer die unauslöschlichen Initialen einer ersten Liebe zu erblicken.
Man sollte sich nicht von den Gegenständen anschweigen lassen.

Sonntag, 19. April 2009

Idealistisch-subjektivistischer Ansatz

"Merke auf dich selbst: kehre deinen Blick von allem, was dich umgibt, ab und in dein Inneres - ist die erste Forderung, welche die Philosophie an ihren Lehrling tut. Es ist von nichts, was außer dir ist, die Rede, sondern lediglich von dir selbst." - J. G. Fichte

Muss ich nochmal drüber nachdenken...
...oder Novalis befragen; der schreibt in den Blüthenstaub-Fragmenten:

"Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. - Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft."

Donnerstag, 16. April 2009

Theoretisches Stadium

Die Balance meiner Tage ist manchmal ein wenig empfindlich. Darum bin ich dankbar dafür, dass der Hund ruhig schläft, im Traum seine Pfoten zappeln lässt und mir zeigt, dass die meisten Dinge ganz einfach nicht besonders wichtig sind.

Es geht darum, sich zu konzentrieren; darum, ein stilles, leidenschaftliches Leben zu führen.

Dann der Versuch: Einen Spielstein umstoßen auf der Oberfläche der Zeit. Ein wenig Geduld. Darauf achten, wie es funktionieren könnte. Mit den Händen in den Hosentaschen, mit ausgestreckten Fingern im Innenfutter der Hose.

Doch ein Ich, das sich selbst observiert, kann keine zuverlässigen Aussagen über den Gegenstand seiner Beobachtung machen. Die Naturwissenschaftler haben dies erst spät gefolgert, auch wenn ihr Gegenstand der Beobachtung ein anderer war. Kein Ich. Kein geschlossenes System.

Und der Hund hebt den Kopf, schaut mich ein wenig mitleidig an und sagt: „Na, das theoretische Stadium hast du aber noch lange nicht hinter dir...“

Ich und Welt


Es ist nicht gut. Es ist nicht gut, seine Nächte am Rande der Stadt allein in einem Garten zu verbringen und sich einzubilden, man röche den Wald von ferne.

Es ist nicht gut, die Große Fuge zu hören und sich dabei mit kaltem Weißwein zu betrinken, es ist nicht gut, sich allein zu betrinken, sich zu versichern, dass man sich dabei wohl fühle. Die Große Fuge, ehemals der letzte Satz des Streichquartetts Op. 130, nun allein, hintenangestellt, groß und mächtig, schneidend, sperrig.

Im Haus ist es zu warm, darum sitze ich draußen. Dort ist es still, darum höre ich die Fuge. Ich habe Durst, darum trinke ich den Wein.

Ich bleibe zurück auf dem groben Holzstuhl, dem ich schon fast meinen eigenen Namen gebe, dem Stuhl aus meiner Küche, dem Stuhl, den ich überall mit hinnehme, damit ich einen Platz habe in der Welt. Das Dunkel senkt sich, durch die Büsche kann ich Lichter erspähen, Lichter von Menschen.

Doch kann man ihnen ferner sein, als beim Hören dieser Musik?!

Irgendwer schrieb, in der Großen Fuge sei "der Gegensatz zwischen Ich und Welt überwunden". Für mich ist sie das genaue Gegenteil: der Musik gewordene Gegensatz zwischen Ich und Welt.

Mittwoch, 15. April 2009

Musste auch mal wieder gesagt werden!


»Je nun, eine gute Verwirrung ist mehr wert,
als eine schlechte Ordnung.«
Ludwig Tieck

Dienstag, 14. April 2009

10 Ampere und Licht aus!

In meinem Wagen brennt dauernd eine Sicherung durch. Die Beleuchtung fällt plötzlich aus. Ich bin mittlerweile geübt im Austauschen. Es dauert nur eine halbe Sekunde, selbst in Fahrt und bei völliger Dunkelheit. Es ärgert mich nicht mehr, ich habe mich darauf eingestellt und die Bewegungen meiner Hand heimlich trainiert – in etwa so wie man das Montieren einer Waffe mit verbundenen Augen trainiert.

Diese ganze Kabbala-Sefirot-Emanations-Sprachschöpfungs-Idee gefällt mir. Erst das Wort und dessen Artikulation erschaffen das Ding, das sich denken lässt, vorher war alles nur ein farbloser Klecks. Man sagt Sicherung, und sie existiert, sie springt heraus, aber das ändert nichts an ihrer Existenz, nur an ihrem Zustand. Allein der Strom fließt nicht mehr ungehindert. Die Sicherungen für die Beleuchtung sind immer aus rotem Plastik, darin ein dünner Metallfaden. Last: zehn Ampere. Eine willkürliche Maßeinheit, die auf einem abstrusen Versuchsaufbau und der zu messenden Kraft von zwei mal zehn hoch minus sieben Newton besteht. Das ist sehr ernst!

Wenn Wittgenstein behauptet, dass die Krux der Philosophie eine sprachliche, nämlich die Problematik der Definition sei, dann hat er Recht. Alle Philosophie muss Sprachphilosophie sein, weil wir nicht verstehen, nicht verstehen können. Weil es kein Wort für Einsamkeit gibt, außer eben „Einsamkeit“, was nichts besagt. Es ist ein Spiel; das Regelwerk ist weggeschlossen. Man kann nicht auf einer Leiter über die Leiter hinaussteigen, man muss fliegen, fliehen.

Was ich damit eigentlich sagen will?
Dass ich diese Welt ebenso wenig verstehe wie mich und dich - und dass man Rotkehlchen schlecht in Gefangenschaft aufziehen kann. Sie brauchen den ganzen Himmel.

Donnerstag, 2. April 2009

De fait je suis un amateur de la vie

Dis-moi aussi c'est quand
Que tu reviens ?
Moi je ne vois qu'un amateur de la vie
Un amateur qui recommence
Avec mes amours, mes amitiés
Tout ce qu'il faut pour être entier
Je fais je fais
J'essaie j'essaie
De fait je suis un amateur de la vie
(Tarmac)