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Freitag, 20. September 2013

Wandel wertbezogener Postulate

Der alte Beamte hatte Maßnahmen ergreifen wollen zur Erhaltung der Lebenslust der Verurteilten:
Mit flinker Zunge schnalzend überlegte er sich, Apfelkerne zu pflanzen in die Augenhöhlen der Mörder, Lilien in die Hände der Diebe, Astern in die Münder der Lügner.
Die grollenden Wachhunde sollten Halsketten aus Gänseblümchen tragen und Malvenduft würde den Schweiß der Angst überdecken. Ins Meer hieb er Gruben, die das Dunkel der Nacht schlucken sollten, ersann mechanische Spinnen, die den Faden des Schicksals rückwärts spinnen konnten. Er verbot Hähnen den Morgenschrei und trainierte sie im Erzählen von Anekdoten und Bonmots. Grell schminkte er schwermütige Affen, er malte der Zukunft goldene Fliegenaugen und briet Tauben im Wachturm.
Doch als der erste der Verurteilten lachte, schoss er ihm mit Leidenschaft von hinten durchs Genick. Und schmunzelte leise.

Dienstag, 19. März 2013

Betula incognito


Wildes Treiben auf dem Bahnsteig. Durchsagen und Blicke fliegen durch die kühle Luft. Der Russe mit der Waschbärmütze ist eben aus dem Zug gestiegen und bleibt vor mir stehen:
-Sind Sie nicht diese Birke? fragt er
-Birke? Ich?
-Ja, diese Birke, die früher vorm Fenster meines Kinderzimmers stand? Mein Lieblingsbaum und Schattenspender!
-Sehe ich denn aus wie ein Baum?
-Ähm, jetzt, wo Sie’s sagen, naja, hm, aber irgendwie...schon…
Sein Atem riecht leicht nach Schnaps und offensichtlich sind ihm seine Worte mittlerweile ein wenig unangenehm. Er errötet und räuspert sich, sagt „entschuldigen Sie“, dreht sich rasch auf dem Absatz um und geht davon.
Als ich am Tag darauf, auf der Wiese stehend, die Arme weit in den Himmel gereckt, sonnenfleckige Schattenmuster an die Hauswand male, frage ich mich ganz kurz: wie hat er mich nur erkennen können? Ich hatte doch einen Mantel an… und Schuhe, dazu ein T-Shirt und sogar eine alberne Basecap.
Ich runzele die Rinde. Es bleibt mir ein Rätsel.

Sonntag, 3. März 2013

Mahnung


Trau nicht den Männern mit den schwarzen Hüten
Erst gestern sah ich einen
Der ein Säugetier verspeiste
In ein Kinderbuch pisste
Und einen Tautropfen zertrat
Trau nicht den Männern mit den schwarzen Hüten
Sie erschlagen Marienkäfer
Mit Hauptstadttelefonbüchern
Bleiwinkelrohren
Und Eisenbahnschienen
Trau nicht den Männern mit den schwarzen Hüten
Sie handeln
Mit Finanzobligationen
Echthaarperücken
Und Läusemilch
Wenn du einen von ihnen siehst
Zögere nicht
Schlag ihn mausetot
Mit einem Strauß Wasserlilien

Donnerstag, 28. Juni 2012

Sonntag, 24. Juni 2012

Kleines Literaturrätsel (IV) - Wer bin ich?

Nicht allzu lange nachdem die Bomben gefallen waren, wurde ich Chef einer Bande, die wenig Gutes im Sinn hatte. Er war neu bei uns und wir verspotteten ihn wegen seines Namens, nannten ihn nur noch T., damit wir nicht in Lachen ausbrechen mussten. Und ich hätte T. aufhalten können. Er war mir gleich von Anfang an unheimlich. Etwas in ihm war anders.
Später, als wir alle zusammen das Gebäude in Schutt und Asche legten, gab es einen Moment, wo T. uns aufforderte, die Sache zu Ende zu bringen. Sein Blick war unerbittlich und ich verstehe bis heute nicht, wie er unsere Gruppe zu einer Art von Vernichtungsmaschinerie formte, zu einer rasselnden Mechanik die alles zu Staub zermahlte. Ich verstehe auch nicht, warum wir das Geld verbrannten, es nicht einfach behielten und davon liefen.
Ich war Anführer einer Bande, die jetzt nur noch auf T.s Worte hört. Auf seine kalten und ruhigen Worte.

Freitag, 4. Mai 2012

Allgemeines Wandern

Sie hatten aus Pflanzen Substanzen extrahiert und konsumiert, aus Kakteen und Mohn und Eiben, sogar aus Gänseblümchen und saftigen Gräsern vom Wegesrand und den weiten Wiesen zu Seiten der blauen Wälder, wo die Bäume sich neigen und rauschen und schweigen.

Dann saßen sie am Feuer beim alten Blechkessel mit dem Kaffeewasser und schauten die Welt:
Rehe lesen beschämt aus historischen Werken verstörende Passagen und stellen Jägern moralische Fragen, die man früher, in älteren Tagen, so gerne verschwieg, als die Sonne noch schief in die Täler schien. Die Büsche und Blumen raunen und staunen im Anblick des Himmels, voll schwarzer Vögel und dunklem Gefieder, das die Sterne verdeckt und die Wolken treiben bis jenseits der Weiden, beim schwarzen Fluss, im finsteren Hain und noch dahinter, von wo ein heiserer Schrei erklingt. Und ein Schatten sammelt Tränen in eichenen Fässern, Gewässer aus Nacht.

Lange schweigen alle. 

Dann sagt einer: Heute ist es gar nicht so lustig wie sonst.

Sonntag, 25. März 2012

Antonio Tabucchi, † 25. März 2012

Ich war mit dir im nächtlichen Indien unterwegs, hab in Porto mit dir getrunken, war dem geköpften Damasceno auf der Spur, beweinte Christus im grünlichen Licht, saß in überfüllten Zugabteilen an deiner Seite und atmete Staub in der schwirrend-heißen Luft verfallener portugiesischer Friedhöfe. Du hast für mich geträumt und halluziniert, hast mir Spinoza und Pessoa vorgelesen, wir haben in Goa und Madras in der Gegenwart unserer Doppelgänger im Abendlicht gesessen.
Heute Nacht stelle ich für dich eine Kerze ins Fenster. Und weine.
Du weißt ja: der Rand des Horizonts ist jener Ort, der in dem Maße flieht, wie wir uns auf ihn zu bewegen.
Ich wünsche dir eine gute Reise!

Montag, 12. März 2012

Kleines Literaturrätsel (III) - Wer bin ich?

Die Welt ist voller Dinge, die sich zueinander verhalten – und ich war das Ding, was sich anders verhielt.
Ich wurde untersucht - versteht mich nicht falsch, ich war freiwillig gekommen, doch nur um zu erfahren, dass der Defekt vorlag, ich bin „negativ“, offensichtlich veranlagt. – Ich wurde Teil einer Liste.
Nachdem alles vorbei war, sagten sie, ich hätte den Kontakt zur Wirklichkeit verloren, ich sei in einer pathologischen Identifikation gefangen, doch sie waren es schließlich, die mir diesen Namen gaben!
Ich weiß nicht, ob das wirklich der Grund dafür war, dass ich, ganz Mann des Geistes, einige nicht unerhebliche Morde beging. Mit chirurgischer Präzision erledigte ich Sokrates, nahm Kant aus der Welt, vernichtete Descartes, das Schwein. Doch das alles ist mir nicht genug: Shakespeare wartet. Er soll der nächste sein.
Und wer sollte mich auch aufhalten? Ich habe schließlich selbst Zerberus überwunden!

Samstag, 3. März 2012

Kleines Literaturrätsel (II) - Wer bin ich?

Ein spitzer länglicher Metallstab macht seinen Weg durch die Luft, schneller und schneller – und verfehlt nur knapp den einen,  der zwei Vogelarten miteinander verwechselte, bevor er sich aus dem Schlafzimmer stahl. Drei Geschichten erzählt er mir später, und in der letzten der drei spricht endlich der Vogel und gibt sich zu erkennen. War es Mutterliebe oder ein Traum? - das frag ich mich, nachdem er mir von alledem berichtete und sich über den Zusammenhang ausschwieg.
Ich kenne ihn von früher, als wir beinahe noch Kinder waren.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Kleines Literaturrätsel (I) - Wer bin ich?

Das ist die Welt, die öde Sonne, die dunkle Gasse, hier von meinem Stuhl aus; kann mich nicht bewegen, doch was hält mich? Sind das Stricke? Oder Schatten von Stricken? Oder Schals? Verflucht, es sind Schals! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Schals! Und der Stuhl ist ein Schaukelstuhl aus feinstem Teakholz. Immerhin.
Es macht Spaß, hier nackt und gefesselt in meinem Stuhl zu sitzen, genauer: es macht meinem Körper Spaß. Und mein Geist? Hm, mein Geist ist eine große Hohlkugel, hermetisch abgeschlossen vom restlichen Universum. Allein, mit meinem Körper hat der Geist zuweilen Austausch, da gehen Wege hin und her. Aber ist das schon Bewusstsein? Na, zumindest reicht es für die Parodie vernünftigen Verhaltens, das nicht aus dem Rahmen potenzieller Seinsweisen eines Körpers in der Welt fällt. Und diese Welt? Die ist doch nur eine heterogene Stimulation. Für mich ist die Zeit gekommen, ja, es ist Zeit, in meinem Geist zu leben.

Weiß: E2-E4

Sonntag, 12. Februar 2012

Freds altruistischer Entschluss

Ich geh jetzt ein Organ spenden, sagt Fred und wir anderen kucken ihn etwas verunsichert an.
Wie? Organ spenden? Jetzt sofort? Aus dem lebenden Körper und so?, sagt dann endlich Marie und sieht dabei in ihrer Verwirrung ganz zauberhaft aus.
Ja klar, jetzt sofort und aus dem aktuellen Körper, sagt Fred. 
Und an was hast du dabei so gedacht, frage ich.
Naja, zum Beispiel meine Kiemen, die brauch ich ja kaum noch, ich geh eh so selten schwimmen und wenn doch, Mann, Lungenatmung funktioniert absolut.
Aha, nicken wir bedächtig, ja okay, Kiemen ist auf jeden Fall drin. Aber pass auf, dass sie dir sonst nichts rausschneiden.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Pop

Einer sitzt hinten im Wagen, weil ja immer einer ganz hinten sitzen muss und dafür darf der dann sagen, was vorne gespielt wird und er sagt Kollektiv Turmstraße und das hören wir dann und alle brummen selbstvergessen ein tiefes OHHHHHMM, wie ein einziger großer Resonanzkörper.
Das ist ja eben Pop, sagt er, wenn alle dazugehören können, aber da meine ich, Pop sei schließlich auch, nicht dazuzugehören und überhaupt hätten wir heute zu selten Boycott everything von Bonaparte gehört und die anderen sagen, dass wir das schon mindestens soundsoviel Mal gehört hätten, aber dass es ja kaum schaden würde, sich das nochmal anzuschauen, was da so geht und was es dann bedeutet.
Irgendwie ist die Straße glatt, wir gleiten dahin und wir hören den Song und einer zieht die Handbremse und wir drehen uns ein oder zwei Minuten und der auf dem Beifahrersitz hat einen Einkaufskorb auf dem Kopf und zuckt zu den Beats und in dem Moment als alle mitzucken, stehen wir plötzlich und die Musik ist aus.
Vier Augenblicke später schwebt in völliger Stille der Schnee auf uns hernieder, setzt sich auf die Windschutzscheibe, während der Wind innehält und die Erde tief einatmet. Und wir steigen aus und staunen und öffnen die Münder und schmecken auf der Zunge die streng hexagonale Struktur der Flocken.

Montag, 5. Dezember 2011

Hundert Prozent Arabica

Zuweilen, wenn ich morgens meinen Kaffee schlürfe, noch vor den ersten sanften Fehlentscheidungen des Tages, denke ich an Gregor Samsa, Kafkas duldsamen Käfer:
Als einer der perfiden Prokuristen zu Besuch kommt und seinen Kaffee verschüttet, ist dies für Gregor Grund genug, plötzlich hervorzuschießen und seine insektoiden Esswerkzeuge relativ gierig nach der heruntertropfenden Flüssigkeit auszustrecken. Er kann sich "nicht versagen, im Anblick des fließenden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen".
Und an dieser Stelle wird uns allen klar, dass man ihm in seiner Käferexistenz den Kaffee vorenthalten hat, eine kaum zu überbietende Grausamkeit. Auf seinen verzweifelten Versuch der Kaffeebeschaffung reagiert die Mutter mit Geschrei, der Prokurist mit Flucht, alle mit Entsetzen. - Gregor ist in der Familie endgültig unten durch.

Typische Entzugserscheinungen des habituellen Kaffeetrinkers sind nach verschiedenen Studien  z.B. Erschöpfung, Kopfschmerzen, mangelnde Wachsamkeit, Reizbarkeit, Schläfrigkeit, depressive Episoden, Konzentrationsstörungen, fehlende Gedankenklarheit und eine deutlich herabgesetzte Zufriedenheit.
Ganz ehrlich, wenn Gregor die Käferexistenz vielleicht noch hätte wegstecken können, ich bin mir sicher, der unterdrückte Kaffeekonsum brach ihm das Genick bzw. den mentalen Chitinpanzer.

Dazu kommt, fortgesetzte Beweisführung, dass Insekten noch deutlich empfindlicher auf Koffeinzufuhr bzw. -entzug reagieren, wie z.B. das Verhalten von Spinnen mit bzw. ohne Kaffeekonsum belegt (siehe Abbildung 1).
Wir müssen also vielleicht im Hinblick auf käferliche Entzugserscheinungen in unserer Einschätzung die beschriebenen Effekte potenzieren, was letztlich den unterdrückten Kaffeegenuss ins Zentrum der psychopathologisch fixierten Kafka-Lektüre rücken lässt.
Schließlich muss vor diesem Hintergrund besonders bitter erscheinen, dass man den Käfer, dem man den lebensnotwendigen Kaffee verweigert, mit schnödem Obst bewirft, ein böses ironisches Substitut für das eigentlich Verlangte!
(Abgesehen davon ist die Wahl eines Apfels als Wurfgeschoss nicht nur ein zweiter Sündenfall, sondern finstere Verballhornung des beliebten Merkspruchs "An apple a day keeps the doctor away." - dessen Wörtlichnahme wohl auch dazu führte, dass die verursachte Verletzung unbehandelt blieb.) Doch vom Obst zurück  zum Kaffee:

Interessanterweise scheint die Industrie später (für Gregor leider zu spät!) den folgenschweren Fehler der Samsas wieder gutmachen zu wollen. Wie anders ließe es sich erklären, dass es mittlerweile in Feinkostgeschäften speziellen Käfer-Kaffee (Abb. 2) gibt, der nicht nur aus feinster Arabica-Bohne hergestellt wird, sondern auch für den menschlichen Konsumenten besonders bekömmlich sein soll.

Johann Sebastian Bach, kirchenmusikalisch-systemtheoretisch-mathematisches Genie, Gott hab ihn selig, wandte sich zuweilen auch der weltlichen Musik zu, allerdings nicht ohne Weltliches zu sakralisieren. So ist seine sogenannte Kaffeekantate vielleicht nicht sein größter Geniestreich, aber dennoch ehrliches Credo eines ergebenen Koffeinisten. Da heißt es:

Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!

Johann Sebastian, Gregor - ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bund der Dritte! - Ach stimmt, Schiller (als dann Vierten) nicht zu vergessen. Dichtete dieser nicht saumselig: "Diesen Trunk der ganzen Welt?!"

Mittwoch, 30. November 2011

Die entschlossene Kommunardin

Ich kannte mal ein Mädchen
Mit langem dunklem Haar
Fest unterm Arm drei Bücher
Und Augen aus Gefahr

Ein Engel war sie selten
Ihr Reden war oft kalt
Sie konnte sich nicht bremsen
Vor düsterer Gewalt

Das Eigentumsverhältnis
Bracht‘ sie in wilde Wut
Mehrwert der zirkulierte
Wird Zeit, dass man was tut

Sie sprach mir von der Herrschaft
Im Dienst des Kapitals
Erträumte stilles Plündern
Des Waffenarsenals

Ich küsste sie ganz zärtlich
Doch sie blieb völlig stur
Zu ändern ist, so sagt sie,
Die ökonomische Struktur

Sonntag, 13. November 2011

Rochade

Pessoa legt Hut und Mantel ab, die schwarzen Schuhe glänzen wie frischer Kaffee. Er kniet sich vor die Truhe und verstaut drei seiner Schatten darin. In den Spiegeln die Gesichter der anderen, die sich für eine andere Sprache und andere Worte verbürgen, Futuristen, Romantiker, sogar Realisten. Sie alle versammeln sich um ihn, schlagen in der Stille die Augen nieder. 
Die große Müdigkeit klopft sachte an die Tür, das Licht sieht sich aus dem Zentrum des Raumes gedrängt, nicht abgeschickte Briefe lesen sich flüsternd in fremden Sprachen selber vor.
Ein kalter Wind weht durch die Rua Coelho da Rocha als Pessoa mit zittriger Schrift auf das leere Blatt schreibt:
"I know not what tommorow will bring."

Sonntag, 23. Oktober 2011

Am 28. Februar 1571

Er wendet sich ab, steigt den Turm hinauf, zieht sich, müde vom Treiben der Welt, zurück.
Er lässt sich Inschriften auf den Balken anbringen, lässt sie einbrennen in das Holz - die Summe der Weisheiten, die Stimmen der Alten, Sätze wie "Ich sehe, dass wir alle, die wir leben, nichts sind als Schemen oder flüchtige Schatten." oder "Ich verstehe nicht."
Er sperrt alles aus, um zu denken. Er verflucht die Welt nicht, allein: er hält nicht viel von ihr, sitzt zwischen Büchern, schaut wie das Licht langsam an der groben Steinwand entlang wandert.
Er schreibt einen Text und der Text schreibt ihn. Er ist für alle Zeit der Mensch, der in selbstgewählter Einsamkeit zu sich kommt, dessen Versuche noch heute jenes "Que sais-je?" als Frage in eine Welt halten, die keine Frage mehr zum Ende denkt.

Zeit, in den Turm zu gehen, Worte in die Balken zu brennen, die Welt auszusperren.

Montag, 26. September 2011

Richards Schnäuzer

Nacht. Zeit, sich nach Babylon einzuschiffen. Detective Smith Smith kämpft gegen die Roboterarmee. Er träumt kämpfend und kämpft träumend - der Grund, warum er nie ein besonders vielversprechender Privatdetektiv war.
Das Licht der Straßenlaternen reißt Halbkreise aus dem Dunkel, der Typ im Leichenschauhaus kocht den scheußlichsten Kaffee aller Zeiten, die blonde Dame trinkt ihr Bier ohne Maß.
Als C. Card bin ich in den Straßen von San Francisco unterwegs, während im Redwood Creek die Zeit innehält, kurz aufatmet und sich im Rauschen der Bäume fortsetzt.
Es ist Zeit, in die Bibliothek zu gehen, in der all die Bücher stehen, die niemals gedruckt wurden. Es ist Zeit das Schlüsselwerk über 'Kakteenzucht bei Mondenschein' zu lesen, zwischen den Regalen entlang zu schlendern, den Finger über die Buchrücken streichen zu lassen, die Jahresringe der Mammutbäume ungezählt zu bestaunen.
Jimmy Pygmalion verfolgt die Dame, die er sich selbst basteln wird, bricolage heißt das Konzept, und wildes Denken - bevor die Zusammenhänge durch die idiotische Kausalität erkalten. Die Kyniker halten uns die Wahrheit vor Augen.

Am Ende aller Zeit zählt allein: Warst du rechtzeitig Forellen fischen? Oder hast du wieder nur auf dem Balkon rumgehockt und aus Maisblättern gedrehte Zigaretten geraucht?

Montag, 5. September 2011

Uhrwerk Banane

"Ich habe keine Ahnung wie das Böse in die Welt kam", beteuerte der schmächtige Filialleiter mit der Kinderuhr. "Wirklich, er weiß es nicht!", flehte die sonst so diplomatische Assistentin.
"Sie haben nicht ein malenki bisschen Ahnung, meine lieben Droogs", wandte sich Alex mit tiefbetrübter Miene an die Jungs, die Hand auf den Stock gestützt, das Auge blitzend unter der schwarzen Melone.
"Sollen sie doch mal ein urs Denki Denki machen bis der Gulliver brummt", grinste Pete, auf seiner Lippe noch eine Spur Moloko Plus aus der Korova Milchbar.
"Aber", flüsterte Alex verschwörerisch, "was ist, wenn die beiden" - er lupfte kurz seine Kopfbedeckung - "maltschik sind im Gulliver? Wenn die Rasoodocks es nicht mehr tun?" Abwesend betrachtete er für einen Augenblick einen winzigen Blutfleck im Stoff seiner weißen Hose. "Sollten wir ihnen dann nicht mit dem guten alten Ludwig van den Weg weisen? Damit sie lernen, zu sluschen und nicht mehr ohne Grund so puchlig glasen." Selbstvergessen dirigierte Alex - poco sostenuto - den Beginn der 7. Sinfonie in die kühle Abendluft. Seine Droogs fassten die Stöcke fester; die Gesichter voller Vorfreude auf die Versprechungen der nahen Zukunft riefen sie "Righty right!"

Donnerstag, 25. August 2011

erklärung vom 25. august 2011

am donnerstag, den 25. august 2011 hat das kommando arno schmidt die köpfe der behörde zur verwaltung von wissenschaft und lehre entführt. für die verdummungsstrategen soll diese stadt kein rückzugsort sein. sie müssen wissen, dass ihre vergehen an geist und forschung nicht ungesühnt bleiben.
ab dem 27. august wird das kommando mit der lauten lektüre von „die welt als wille und vorstellung“ beginnen, bis die beschuldigten den verblendungszusammenhang aus macht und missbrauch erkennen.

betätigt die gehirne
vernetzt die neuronen
enteignet die feinde des geistes

kommando arno schmidt

Montag, 22. August 2011

Das Institut

In  völliger und dauernder Demut senkte K. sein Haupt vor dem Institut. Hatten ihn in früheren Jahren noch Zweifel geplagt, wurden diese mit jeder Maßnahme des Instituts farbloser, nichtiger, verflüchtigten sich. Hier war das Wort zugleich Tat – und die Tat war gut.
Niemals nahm das Institut Entscheidungen vorweg, die durch eine Wahl der Untergebenen nicht ebenso entschieden worden wären. Nur Spötter zweifelten an der unendlichen Weisheit und Gerechtigkeit des Instituts.
Es war und ist Arbeitsgrundsatz des Instituts, dass mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen, und er ist notwendig, wenn äußerste Integrität der Handlung erreicht werden soll.
Das eigentlich Charakteristische des Instituts, so war sich K. mehr und mehr sicher,  ist seine Unvergänglichkeit. Das Institut, so wusste er schließlich, ist die unverbrüchliche Wahrheit selbst.