Posts mit dem Label Pfote werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Pfote werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 6. Januar 2013

Kleines Senfkorn Hoffnung

Man liest vom Luminalschema und diesen Fabriken, den Morden des Westens, dem Kollateralschaden des Luxus', von den neuesten Gadgets und der Legitimationsdebatte der Geisteswissenschaft im Großen und Ganzen, kultureller Kodierung der Körper, moralischer Entrüstung und Abrüstung, Killer Cotton und Handarbeit, instrumentalisierten Antisemitismusvorwürfen und Arschlecken. Man liest in bunten Magazinen und auf hochauflösenden Bildschirmen der Apps, die uns den Blick auf die Welt verstellen, man lädt sich den Beipackzettel als PDF herunter, formatiert die Exceltabelle um, startet die abgeschmierte SAP-Applikation neu, lutscht das Bonbon mit künstlichem Litschigeschmack, verbittert.
Am Ende des Tages versickert das ganze unerträgliche Wissen langsam in den Ritzen der Nacht, doch die Unruhe bleibt, dieses unkontrollierte Zucken der Hände, der Wunsch, das Medikament auszuschleichen, doch es geht nicht, dann würde man ja unsediert vor diesem Berg aus Leichen und Hochglanzprospekten, Produkten und Softwareupdates stehen.
Und eben hält man alles für verraten und verloren, da sieht man im Schatten der regen- und sturmgeschüttelten Straßenlaterne die Hündin am Fenster sitzen, die ganz leise "Kleines Senfkorn Hoffnung" intoniert.

Dienstag, 3. Juli 2012

Auf Reisen

Um kurz nach zwei Uhr nachts auf der A5 Richtung Frankfurt bei Butzbach in einem Stau unüberblickbarer Länge zu stehen, ist sicherlich keine optimale Lage, zumal wenn nach etwa dreißig Minuten ein listig blinkendes Auto vorbei fährt, auf dessen Dach in roten Lettern das verheißungsvolle Wörtchen VOLLSPERRUNG in nachdrücklichen Majuskeln in die abgasgeschwängerte Luft strahlt.
Es hätte alles so frustrierend sein können, wenn aus dem Fond mir nicht eine Pfote das Reisespielset entgegengestreckt hätte, denn, das ist der heutige Sonderfall, die Hündin macht bei mir in Frankfurt Urlaub, sie hatte sich das schon länger überlegt, erzählte mir von der Schwanheimer Main-Düne und dass sie eben jene zu erkunden gedenke, sie außerdem für eine innerstädtische Flanerie bereits in Google Maps eine erbauliche Laufstrecke zwischen den Wohnhäusern der Köpfe der Kritischen Theorie ausbaldowert habe, man wolle schließlich, mit Verlaub, als Hündin von Welt, an dem Teilhaben, was der Mensch (hier wandte sie den Kopf spöttisch ab) allgemein als Bewusstseinsbildung bezeichne.
Aber ich schweife ab. Eben jene Hündin also streckte mir unversehens das Reisespielset meiner Kindertage entgegen und äußerte, dass wir durchaus eine Partie wagen könnten, "Malefitz" oder ihretwegen auch "Mensch ärgere dich nicht", selbst wenn der Titel dieses Spiels speziezistisch sei, ihm also ein unvertretbares soziales Konstrukt zugrunde liege - es sei denn, die Erfinder wären, durchaus nicht unberechtigt in ihren Augen, bereits bei der Konzeption davon ausgegangen, dass der Mensch hier, wie in so vielen Lagen, der Unterlegene sei.
Ich werfe ihr an dieser Stelle wortreich einen animalischen Chauvinismus vor, aber sie will davon nichts hören. Stattdessen wählt sie Schwarz als ihre Farbe, stellt die Spielfiguren auf, würfelt mit einem wohldosierten Pfotenhieb und schaut triumphierend auf die gefallene Sechs.
Als auch ich eben würfeln will, fahren die Wagen bereits wieder zaghaft an. Und es ist wie immer: anstatt zu spielen, haben wir uns in eine schnippische Diskussion verstrickt - aber auch das ist eine Weise, die Zeit zu überbrücken, zwischen Bewegung und Stillstand.

Samstag, 28. April 2012

051610

Es gibt Menschen, die sterben beim Ablesen des Stromzählers, andere verschwinden beim Zigaretten holen auf Nimmerwiedersehen, Dritte verlieren sich im Schlaf, Vierte gehen in die Natur und sprechen mit Insekten und wieder andere kaufen sich homöopathische Mittel und kleine Buddhafiguren, denen sie die Füße mit Nagellack anmalen.
Ich hab aber auch schon von welchen gehört, die sich beim Recken nach einem Buch ganz oben im Regal in Giraffen verwandelt haben und dann gar nicht mehr lesen konnten. Für andere wieder ist jeder Tag wie die Ardennenschlacht und manche glauben, sie hätten nichts zu verlieren, riskieren aber trotzdem nie etwas.
Tatsächlich ist dies ein komischer Planet, der sich so unachtsam im Dunkel dreht, ein krummes, schiefes Ding, ins Nichts gehängt.

Während ich das hier schreibe, sitzt eine mittelgroße Hündin auf meinem Schoß, versperrt mir halb die Sicht auf den Monitor, schaut aus dem Fenster, sieht den vorbeirasenden Polizeifahrzeugen hinterher und gähnt.
"Wußtest du", fragt sie, "daß neugeborene Giraffen bereits nach etwa 45 Minuten laufen können?"
"Nein", sage ich, "Und wie lange brauchen Schakale?"
"Das", sagt sie und wiegt bedächtig den Kopf, "fragst du mal lieber die Araber."

Freitag, 6. April 2012

Gerettet

Nachts in der Bibliothek
Sitzen Wölfe in den Gängen
Und ich gehe weiter nach hinten
In den Grenzbereich schwindenden Lichts
Wer, sagt einer der Wölfe,
Könnte schon gegen den Tod anschreiben?!
Wir, sagt ein anderer,
Sind der schwarze Limes!

Als ich eben zitternd verzagen will, kommt von hinten mit Schmackes etwas angerauscht und ruft „Keine Angst! Ich bin dein Brillenflughund!“ -- Und ich sage: "Wusste gar nicht, dass es sowas wie Brillenflughunde überhaupt gibt." -- Er darauf und im Vorbeiflug: "Pteropus conspicillatus, genau genommen!" -- Und die Wölfe: "Jetzt hört mal auf mit dem Gelaber, ihr versaut uns die ganze pathetische Jenseitsstimmung."

"Eben!", sagt der Brillenflughund, fliegt eine liegende Acht in die Luft – und die Macht des Todes ist gebrochen. -- "Dann", sage ich, "können wir ja jetzt endlich ´nen Kaffee trinken gehen."
"Auf ein paar Fruchtsamen und einen Fingerhut Wasser würde ich schon mitkommen.", sagt der Brillenflughund, setzt sich auf meine Schulter und wir gehen. Die verdutzen Wölfe schauen uns nach.

Mittwoch, 21. März 2012

Es ist mal wieder soweit: die Hündin hat das Wort.

Auf dem Rücken liegend doziert sie, die Beinchen in die Luft gestreckt und hin und wieder strampelnd. Sie erzählt, wie sie Baselitz sieht. Sie erwähnt Schönebeck, das Manifest, die Antikunst. – Sie taucht die rechte Vorderpfote in ein Fässchen mit schwarzer Tinte und streicht über die Leinwand. Sie plant ein Triptychon zu irgend einem Bürgerkrieg. Dazu braucht sie noch Filz und Fett und Zuckerwatte. Sie hat da so ein Beuys-Ding am Start, glaube ich. Ich frage sie ganz direkt nach Beuys und sie sagt, einen Fettstuhl habe sie durchaus auch schon einmal gehabt – das sei nichts, worauf man stolz sein könne, nunja.
Sie spricht von Seele und Ozeanfarben, von einer Kunst, die das Motiv lange hinter sich gelassen habe. Ihr Maßstab für Ästhetik, so sagt sie, sei die größtmögliche Distanz zur Natur. Authentizität halte sie durchaus für etwas Widerliches.
Sie seufzt, leckt sich die Pfote, blinzelt in die Sonne und bedenkt mich mit einem nachsichtigen Blick:
Kunst, sagt sie, ist vor allem eine Geste der Gewalt. Sie verstehe Fontana durchaus, sagt sie, aber ein paar Schnitte seien nicht genug, um in die Tiefe des Bildes einzudringen. Wenn ein Schuss die Leinwand zerreißt, sei dies erst ein Anfang, wenn der Richtige hinter der Leinwand gestanden habe, z.B. Meese, dieser vorpubertäre Stümper!
Sie lässt die Vampirzähnchen bei gezogenen Lefzen aufblitzen; so sieht das aus, wenn ich lächele, sagt sie.
Hm, sage ich, ich fand Meese immer ziemlich lustig.
Sie schreibt mit der Pfote auf die Leinwand: „Kunst ist das totalste Totale, die Hirninwendigkeit, die radikalöse, der Tarzan am Hypothalamus, das Erzgebirge der Innerlichkeit, Nordwand des Hasses, der heiligste Faschismus, der sachlichste Wahn der Barmherzigkeit!
Jetzt klingst du aber ziemlich nach Meese, entgegne ich.
Ich, sagt sie mit listig geschwellter Brust, bin die totalste Parodie meesescher Hirnverharzung – wenn ich will!


Donnerstag, 23. Februar 2012

Einfache Tage

In einem Haus am kalten Meer. Dort wohnte ich vor Jahren, als man mir noch die Scheiben einwarf und Hiro abends, bedächtig auf der Schwelle liegend, mich vom Schließen der Türe abzuhalten versuchte. Gebrochen klangen die Wellen herüber, als hielten sie in der größten Aufbäumung plötzlich inne, und dieses Spiel wiederholte sich im Handumdrehen.
Morgenluft strich herein und in der Küche dampfte immerzu der Kessel aus mattem Blech, der das kochende Wasser bereithielt.
Niemand wagte zu sagen, daß es kein glückliches Leben war, das wir führten, doch wir hatten uns aneinander gewöhnt, an das Meer, die Geräusche vom morschen Dach und die Eichhörnchen, die in der Rumpelkammer ihre Jungen zur Welt brachten.
Hiro wachte mit scharfem Verstand und schlafend über die Türe zur Veranda, streckte die Pfoten von sich oder legte sich zur Seite, um im Traum einen kurzen Sprint einzulegen, wobei er zappelnd leise Grunzlaute ausstieß.

Sonntag, 25. Dezember 2011

Museumsinsel


Was ich bei weihnachtlicher Übernachtung in meinem alten Kinderzimmer gefunden habe:


-Ein Fässchen Batman-Tinte
-Ein Foto von mir als kleiner Mensch
-3 Packungen Esbit inkl. Miniofen
-Einen Bierbembel mit dem Aufdruck „REVOLUTION“
-14 Pelikan-Mini-Tramp Bücher für die Lektüre unter dem Schultisch (darunter mein Lieblingsband „Sein erster Jaguar“)
-Ein frühes Selbstportrait
-Einen Fotoband über nationalsozialistische Vernichtungslager
-Konspirative Aufzeichnungen auf essbarem Papier
-6 französische Telefonkarten und ein Pfeifenbesteck in einem Etui
-Einen geöffneten Commodore 64 mit aufgelötetem Turbo-Modul
-Ein chinaseidenes Tagebuch meiner Schwester
-Eine künstliche Zigarette, die beim daran Ziehen weiß qualmt
-Ein Kinderbuch, das mit "Als Birne, wie wir wissen, ihre allumfassende Weltherrschaft ausgerufen hatte..." beginnt und mit dem Satz "Je größer das Gehirn, desto schneller arbeitslos." endet.

 
Was meine Hündin unterdessen dort gefunden hat:

-2 Tennisbälle
-1 Softball
-1 Jojo

Samstag, 26. November 2011

Crazy Clown Time

Zeit für einen letzten Spaziergang, es scheint allerdings kalt zu sein, mondlose Nacht. Die Häuser tun die Augen auf, der Wald steht schwarz und abgedrängt und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. 
Im Park steht ganz zentral ein gigantischer stählerner Müllcontainer, den ich umstreife wie ein Pilger die Kaba, die Hündin hält Abstand und das Ding für verdächtig. - Das ist vielleicht genau die richtige Situation, um in das neue David Lynch-Album "Crazy Clown Time" mal reinzuhören. Und wirklich: es wird unwirklich.
Plötzlich steht in roter Schrift "Dutschke" auf dem Container und er sieht irgendwie auch ein wenig rebellisch aus. Ich flüstere "Ey, Rudi, altes Haus, biste da drin?", doch niemand antwortet. Vorsichtig klopfe ich an die metallene Wand und hohl klingt es wieder. Ich lausche, klopfe abermals, räuspere mich und sage "Herr Dutschke?" - Nichts geschieht.
Die Hündin kommt zurück und fragt, ob es denn nun weiterginge, ich hätte schließlich lange genug am Container gestanden und ganz offensichtlich sei Rudi nicht darin, außerdem sei "Dutschke" ja nur ein Nachname wie tausend andere auch, da könne ich doch wohl kaum schließen, dass, wo Dutschke draufstehe, auch Rudi drin sei, sie habe da so ihre Erfahrungen - und sowieso, Worte seien im Allgemeinen nur Schall und Rauch, abgesehen davon habe sie eine auffällige Ähnlichkeit des Containers mit dem Monolithen aus "2001: A Space Odyssey" bemerkt, die ihr Anlass zur Sorge gäbe, es wäre, bitteschön, ganz freundlich von mir, mit ihr gemeinsam Fersengeld zu geben.
Ich sehe sie an und frage einigermaßen erstaunt: "Du? Seit wann magst du denn Kubrick?"