Dienstag, 3. Juli 2012

Auf Reisen

Um kurz nach zwei Uhr nachts auf der A5 Richtung Frankfurt bei Butzbach in einem Stau unüberblickbarer Länge zu stehen, ist sicherlich keine optimale Lage, zumal wenn nach etwa dreißig Minuten ein listig blinkendes Auto vorbei fährt, auf dessen Dach in roten Lettern das verheißungsvolle Wörtchen VOLLSPERRUNG in nachdrücklichen Majuskeln in die abgasgeschwängerte Luft strahlt.
Es hätte alles so frustrierend sein können, wenn aus dem Fond mir nicht eine Pfote das Reisespielset entgegengestreckt hätte, denn, das ist der heutige Sonderfall, die Hündin macht bei mir in Frankfurt Urlaub, sie hatte sich das schon länger überlegt, erzählte mir von der Schwanheimer Main-Düne und dass sie eben jene zu erkunden gedenke, sie außerdem für eine innerstädtische Flanerie bereits in Google Maps eine erbauliche Laufstrecke zwischen den Wohnhäusern der Köpfe der Kritischen Theorie ausbaldowert habe, man wolle schließlich, mit Verlaub, als Hündin von Welt, an dem Teilhaben, was der Mensch (hier wandte sie den Kopf spöttisch ab) allgemein als Bewusstseinsbildung bezeichne.
Aber ich schweife ab. Eben jene Hündin also streckte mir unversehens das Reisespielset meiner Kindertage entgegen und äußerte, dass wir durchaus eine Partie wagen könnten, "Malefitz" oder ihretwegen auch "Mensch ärgere dich nicht", selbst wenn der Titel dieses Spiels speziezistisch sei, ihm also ein unvertretbares soziales Konstrukt zugrunde liege - es sei denn, die Erfinder wären, durchaus nicht unberechtigt in ihren Augen, bereits bei der Konzeption davon ausgegangen, dass der Mensch hier, wie in so vielen Lagen, der Unterlegene sei.
Ich werfe ihr an dieser Stelle wortreich einen animalischen Chauvinismus vor, aber sie will davon nichts hören. Stattdessen wählt sie Schwarz als ihre Farbe, stellt die Spielfiguren auf, würfelt mit einem wohldosierten Pfotenhieb und schaut triumphierend auf die gefallene Sechs.
Als auch ich eben würfeln will, fahren die Wagen bereits wieder zaghaft an. Und es ist wie immer: anstatt zu spielen, haben wir uns in eine schnippische Diskussion verstrickt - aber auch das ist eine Weise, die Zeit zu überbrücken, zwischen Bewegung und Stillstand.